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6. Bemessung der materiellen Hilfe bei verschiedenen Fallzusammensetzungen

6.4 Volljährige Kinder im Haushalt der Eltern

Volljährige Kinder im Haushalt mit Eltern, die Sozialhilfe beziehen

Volljährige Kinder begründen einen eigenen Unterstützungswohnsitz (vgl. Kapitel 3.1.1 Begründung Unterstützungswohnsitz Erwachsener), auch wenn sie dauerhaft bei den Eltern oder einem Elternteil leben. Nach Erreichen der Volljährigkeit scheiden die jungen Erwachsenen aus der Unterstützungseinheit, die sie bis dahin mit ihren Eltern gebildet haben, aus. Das volljährige Kind und die Eltern bilden ab diesem Zeitpunkt eine Wohn- und Lebensgemeinschaft (vgl. Kapitel 6.6 Wohn- und Lebensgemeinschaft). Sofern das volljährige Kind für sich ein eigenes Sozialhilfegesuch einreicht, führt die Gemeinde ein separates Sozialhilfedossier für das volljährige Kind. In der Regel dauert die Bedürftigkeit des betroffenen Kindes über die Volljährigkeit hinaus an, denn würde es über genügend Einnahmen zur Bedarfsdeckung verfügen, hätte der Gemeindesozialdienst es bereits vor Erreichen der Volljährigkeit von der Sozialhilfe ablösen können.

Ist ein volljähriges Kind nicht bedürftig und in Ausbildung oder erwerbstätig, prüft der Gemeindesozialdienst, ob den Eltern oder dem Elternteil, mit denen/dem es zusammenlebt, ein Haushaltsentschädigungsbeitrag anzurechnen ist (vgl. Kapitel 10.8 Entschädigung für die Haushaltsführung).

Volljährige Kinder im Haushalt von finanziell selbstständigen Eltern

Lebt eine junge erwachsene Person bei den Eltern, die nicht mit Sozialhilfe unterstützt werden, und reicht diese junge erwachsene Person ein Gesuch um materielle Hilfe ein, so ist aufgrund des Subsidiaritätsprinzips (vgl. Kapitel 1.3.2 Subsidiarität) zunächst zu prüfen, ob die Eltern der jungen erwachsenen Person gegenüber noch eine Unterhaltspflicht trifft (vgl. Kapitel 10.6 Elterliche Unterhaltspflichten). Gemäss Art. 277 Abs. 1 und 2 ZGB(öffnet in einem neuen Fenster) dauert die Unterhaltspflicht grundsätzlich bis zur Volljährigkeit des Kindes, kann aber über die Volljährigkeit hinaus fortdauern, wenn das Kind ordentlicherweise noch keine angemessene Ausbildung abschliessen konnte. Besteht, auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Eltern, ein Unterhaltsanspruch, so muss das volljährige Kind dies mit den Eltern klären. Ist es nicht freiwillig dazu bereit, kann der Gemeindesozialdienst nötigenfalls eine Auflage verfügen.

Erklären sich die Eltern bereit, eine Unterhaltsvereinbarung abzuschliessen, unterstützt der Gemeindesozialdienst oder die entsprechende Beratungsstelle der zuständigen Gemeinde das volljährige Kind und die Eltern bei der Erarbeitung der Unterhaltsvereinbarung. Die beratende Stelle beachtet dabei die Empfehlungen des Obergerichts zur Bemessung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder. Kann sich das volljährige Kind nicht mit seinen Eltern einigen, so ist unter Umständen ein Zivilverfahren nötig. In Streitfällen wird empfohlen, juristischen Beistand beizuziehen. Nur das unterhaltsberechtigte Kind kann klageweise gegen seine Eltern vorgehen, der bevorschussenden Gemeinde fehlt es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dazu an der nötigen Aktivlegitimation (vgl. Kapitel 10.6 Elterliche Unterhaltspflichten)