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Podcast Riesi

Welterbe

Luftbildaufnahme von der bewaldeten Halbinsel Riesi am Hallwilersee.

Die Menschen in der Bronzezeit verlassen die Riesi, sie geben den ständigen Kampf gegen das Wasser auf. Die Siedlung geht unter. Und wird 3000 Jahre später ein universelles Erbe der Menschheit.

Hören Sie hier Episode 5: Welterbe(öffnet in einem neuen Fenster)

Das Leben wird schwierig auf der Riesi, das Wasser steigt und die Menschen können nichts mehr dagegen tun. Es ist Zeit zu gehen. Sie geben ihre Siedlung auf und überlassen sie dem Wasser.

Hier verbleiben die Reste der Riesi-Siedlung unter dicken Torfschichten, bis sie an einem Ostermontag im Jahr 1923 wiederentdeckt und von einer Gruppe hartnäckiger Archäologen und Ausgräber erforscht wird. Die Ausgrabung muss im Oktober abgeschlossen werden: der Wasserstand des Hallwilersees verunmöglicht weitere Arbeiten und das Geld geht aus. Heute ist die Tatsache, dass die Überreste der Siedlung im Boden verblieben sind, ein Grund, weshalb die Riesi Welterbe ist. Wegen ihrer ausserordentlichen Erhaltung ist sie zusammen mit vielen weiteren Pfahlbausiedlungen ein Archiv erster Güte. Sie ermöglichen heute Forschungen, die vor 100 Jahren zu Boschs Zeiten nicht für denkbar gehalten worden sind.

Was heute und in Zukunft in der archäologischen Forschung alles möglich ist und sein wird, welche Bedeutung die Riesi für uns alle als Menschen hat und wie es auf der Riesi heute aussieht, das erfahren sie in der fünften und letzten Episode.

Umzugswagen am Schützenfest.
Auszug aus dem Tagebuch, maschinengeschrieben.
Karte aller Pfahlbaufundstellen, die zum UNESCO-Welterbe gehören.
Luftbild der Halbinsel Riesi von 2021.
Unbewachsener Erdboden im Wald.

Wie Bosch für öffentliche Aufmerksamkeit sorgte

Aus den Ausgrabungstagebüchern geht hervor, wie sehr sich Reinhold Bosch bemüht hat, das öffentliche Interesse an der Ausgrabung und den Funden in der "Riesi" über die Region hinaus zu wecken und zu befeuern.

So fanden regelmässig Führungen für Interessierte statt. Besonders beliebt war die Ausgrabung bei den Kurgästen im nahen Kurhaus Brestenberg. Aber auch Fachleute aus dem In- und Ausland holte Bosch an den Hallwilersee. Im Bezirksschulhaus richtete er ein kleines Museum ein, in dem die spektakulärsten Funde präsentiert wurden. Die öffentlichen Führungen waren gut besucht und hatten einen willkommenen Nebeneffekt: Sie brachten etwas Geld, das dringend zum Weitergraben benötigt wurde. So schreibt Bosch am 9. September 1923: "Öffentliche Demonstration der Moorbaute mit Vortrag. Freiwillige Beiträge: Fr. 153.25."

Auch publizistisch war Reinhold Bosch unermüdlich tätig. Während der Grabungszeit verfasste er rund zwei Dutzend Artikel über die "Moorbaute". Sie erschienen lokal ("Seethaler") und kantonal ("Aargauer Tagblatt"), aber auch nationale Blätter wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichteten mehrmals über die Ausgrabung. International stiess die entdeckte "Moorbaute" aus der Spätbronzezeit ebenfalls auf Interesse. So brachten etwa die "Strassburger Nachrichten" am 29. Dezember 1924 eine längere Abhandlung über die Funde am Hallwilersee.

1923 war Reinhold Bosch an der Jahresversammlung der Schweizer Gesellschaft für Urgeschichte in Bern als Referent geladen und hält im Tagebuch fest:

Am Abend des 13. Oktobers referiere ich (ca. ¾ Stunden) über die Moorbaute Riesi, anhand von über 20 Diapositiven.

Reinhold Bosch Oktober 1923

Bosch verfasste eine leicht verständliche Broschüre über die Ausgrabung und gab eine Postkarten-Serie in Auftrag. Am 2. August 1924 schliesslich sorgte die "Moorbaute" nochmals für nationales Aufsehen. Am Umzug am Eidgenössischen Schützenfest rollte sie anlässlich des Aargauer Tages, auf einem Umzugswagen nachgebaut und von Seengern belebt, durch die Bundesstadt (Autor: Jörg, Freiwilliger).

Postkarten

Postkarten von den Pfahlbauern in der Seenger Riesi? Tatsächlich sind im Tagebuch von Reinhold Bosch Postkarten eingeklebt. Wurden diese von der Post, der ehemaligen PTT, herausgegeben, um auf die Ausgrabungen am Hallwilersee aufmerksam zu machen? Wer hatte beim Bundesbetrieb für die Herausgabe dieser Serie von Postkarten − so sind sie nämlich betitelt − geworben?

Offenbar war Reinhold Bosch selbst der Schöpfer der Postkarten, findet sich doch im Tagebuch E zwischen zwei Seiten der Entwurf eines Deckblattes für eine Serie von Postkarten.

  • MOORDORF Riesi (Hallwilersee)
  • Ende Bronzezeit (um 1200−800 v. Chr.)
  • Ausgrabungen der Historischen Vereinigung Seengen
  • 6 Postkarten
  • Preis fr. 1.50

Über dem handschriftlichen Eintrag von Bosch sehen die Betrachtenden eine gerahmte Fläche: im Hintergrund ein Hügelzug, im Vordergrund zentral ein einstöckiges Haus mit Satteldach skizziert. Über dem Deckblattentwurf skizziert Bosch in Postkartengrösse das Pfahlbauhaus detailliert als Blockhaus mit einer fensterartigen Öffnung an der Längsseite, Türeingang an der Stirnseite mit einem geweihartigen Objekt im Dachdreieck: ein Kultobjekt?

Korrekterweise spricht man von Ansichtskarten, wie sie heute im digitalen Zeitalter zunehmend weniger verschickt werden. Wer erhält heute noch Ansichtskarten mit Feriengrüssen vom Strandevent in Südspanien? Vom Wochenendausflug zum Fussballmatch im Stadion von Arsenal? Aber offenbar waren Ansichtskarten oder eben Postkarten “in”, als Reinhold Bosch 1923 und 1924 sein Tagebuch über die Ausgrabungen in der Seenger Riesi schrieb. Er hat diese zur Bebilderung seines Texts verwendet und damit wesentlich zu einer Bereicherung seines Tagebuchs beigetragen. Er dachte wohl auch daran, mit der Postkartenserie eine breitere Öffentlichkeit erreichen zu können und mit den Einnahmen die Finanzierung der Ausgrabungen unterstützen zu können. Diese Vermutung wird auf dem Umschlag der Postkartenserie bestätigt, heisst es doch dort: "Der Erlös fällt in den Ausgrabungsfonds".

Im grünlichen Umschlag wird Boschs Skizze aufgenommen. Die Vorderseiten der Postkarten tragen jeweils Fotos der Ausgrabungen in der Riesi. Auf der Rückseite ist der Titel POST-KARTE und ein Rahmen für die Briefmarke zu sehen, darunter die Linien für die Eintragungen, damit die Postkarte die Empfängerin, den Empfänger erreicht. In der Mitte ist eine senkrechte Linie zu erkennen, dazu die Angaben des Herstellers dieses traditionellen Kommunikationsmittels: ARTS GRAPHIQUES HAEFELI & CO CHAUX-DE FONDS. Im fernen Neuenburger Jura wurden die Ansichtskarten also designt (Autor: Werner, Freiwilliger).