Fingerring mit Christusmonogramm
Ein einfacher Fingerring wird 1979 gefunden und eingelagert. Erst 35 Jahre später wird klar: Er ist das erste Zeugnis des Christentums in Vindonissa.
Wir wissen wenig darüber, wie sich der Übergang von der spätrömischen in die frühmittelalterliche Zeit in Vindonissa zugetragen hat. Das Fragment eines Fingerrings gibt den ersten sicheren Hinweis, dass wir ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. auch mit Christen in Vindonissa rechnen dürfen.
Kleiner Ring – grosse Bedeutung

Der aus einer Kupferlegierung (Bronze) gefertigte Ring zeigt auf der Ringplatte das Monogramm Christi, nämlich die Anfangsbuchstaben des griechischen "Christos" − XP, also Chi-Rho.
Verloren, wiedergefunden...

Der Ring wurde bei einer Ausgrabung 1979 nördlich des heutigen Wallwegs in Windisch, unmittelbar unter dem Humus gefunden. Ausserdem waren in derselben Grabung letzte Reste einer sog. Kanalheizung erkennbar, ein Hinweis auf ein beheizbares Gebäude aus spätrömischer Zeit. Es ist also damit zu rechnen, dass das Areal unmittelbar südlich des ehemaligen Legionslagers auch in der Spätantike locker bebaut war.
…und wieder erkannt

Nach der Bergung wurde der Ring inventarisiert, restauriert und im Depot eingelagert. Da damals niemand die Bedeutung des Ornaments auf dem stark korrodierten Stück erkannte, blieb sein Aussagewert zunächst unerkannt. Erst bei der erneuten Sichtung des Fundmaterials dieser Grabung 2013 im Rahmen eines Sonderprojekts zur Aufarbeitung älterer Bestände der archäologischen Sammlung, wurde die Bedeutung des Rings erkannt.
Symbole des Glaubens

Fingerringe zeigen oft Symbole des persönlichen Glaubens ihrer Besitzer. Neben dem Christusmonogramm trug der Fingerring aus Vindonissa ursprünglich noch ein zweites Bild. Das lässt sich durch die starke Korrosion heute nicht mehr entziffern. Helfen können hier Vergleichsstücke. Allerdings lassen sich lediglich drei Vergleichsstücke finden: zwei aus dem Tessin, eines in einer süddeutschen Privatsammlung. Die Bilder auf den beiden Tessiner Ringen sind trotz guter Erhaltung für den heutigen Betrachter nicht sicher zu entziffern. Der Ring in München zeigt als zweites Bild eine Taube, sicher ein weiteres christliches Symbol.
Wir können also mit gutem Grund davon ausgehen, dass der Träger oder die Trägerin des Ringes ein bekennender Christ war. Wie das Schmuckstück damals in den Boden kam, wissen wir nicht genau − wahrscheinlich ging es einfach nur verloren. Und wurde Jahrhunderte später wieder gefunden.
Weitere Hinweise auf Christen in Vindonissa
Der Fingerring aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. ist der früheste bekannte Fund, der eindeutig auf die Präsenz von Christen in Vindonissa hinweist, aber nicht der einzige. Aus schriftlicher Überlieferung wissen wir, dass Vindonissa in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts als Sitz eines Bischofs gesichert ist. Trotz intensiver Ausgrabungstätigkeit ist allerdings bis heute unklar, wo dieser Sitz baulich zu suchen ist. Ein schon länger bekanntes Ensemble von frühmittelalterlichen Architekturteilen aus Windisch, das zur Ausstattung einer Kirche gehören könnte, stammt nach neusten Forschungen wohl aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts.
Literatur
- Jürgen Trumm, Regine Fellmann Brogli, Ein frühchristlicher Fingerring aus Windisch. Mit Bemerkungen zur topographie paléochrétienne von Vindonissa, Jber. GPV 2014, 21−36.(öffnet in einem neuen Fenster)
- Katrin Roth-Rubi, Die frühmittelalterlichen skulpierten Architekturstücke aus Windisch-Oberburg (Komplex Haus Schatzmann), Jber. GPV 2015, 15−51.(öffnet in einem neuen Fenster)
Frühe Christen in Kaiseraugst und auf dem Gebiet der heutigen Schweiz
- Die Anfänge des Christentums im Gebiet der heutigen Schweiz (Historisches Lexikon der Schweiz)(öffnet in einem neuen Fenster)
- Karin Kob, Christen in Augusta Raurica : ein weiterer Nachweis aus Kaiseraugst und eine Bestandesaufnahme, Jahresberichte Augst und Kaiseraugst 21, 2000.(öffnet in einem neuen Fenster)
- Auf der Reise zur Insel der Glückseligen − Frühe Christen in Kaiseraugst, Magazin Augusta Raurica 2001/1(öffnet in einem neuen Fenster)
- Guido Faccani, Die Dorfkirche St. Gallus in Kaiseraugst AG, Forschungen in Augst 42 (Augst 2012)(öffnet in einem neuen Fenster)
- Beat Rütti, Juden und Christen in Augusta Raurica, Magazin Augusta Raurica 2016/2(öffnet in einem neuen Fenster)