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Ein Siechenhaus in Laufenburg

Ein aussergewöhnlicher Fundkomplex liefert einen Einblick in das Inventar des ehemaligen Siechenhauses aus dem Mittelalter.

Foto Kantonsarchäologie Aargau, Béla Polyvás; © Kanton Aargau
Ganze Töpfe im mittelalterlichen Keller in Laufenburg. Foto Kantonsarchäologie Aargau; © Kanton Aargau

Kiste um Kiste mit mittelalterlicher Keramik brachten die Ausgräber von der Ausgrabung in Laufenburg im Jahr 2014 in die Kantonsarchäologie. Die Ausgräber waren zwischen den ansonsten römischen Befunden auf einen gemauerten Keller aus dem Spätmittelalter (15. Jh.) gestossen. Beim Abtragen der Verfüllung dann die Überraschung: Zahlreiche Gefässe lagen vollkommen unversehrt in der Erde. Vorsichtig bargen die Ausgräber die ganzen Gefässe und dazu Fragmente von vielen weiteren Gefässen.

In der Mitte der sogenannte Destilierhelm, ein Gefäss zur Herstellung von Arzneimitteln. Foto Kantonsarchäologie Aargau, Béla Polyvás; © Kanton Aargau

Das Ensemble ist aussergewöhnlich, weil einerseits eine grössere Zahl an Gefässen praktisch ganz erhalten ist. Andererseits fand sich neben den vielen Vorrats- und Kochgefässen auch medizinisches Equipment: Zahlreiche Schröpfköpfe und mindestens ein Laborgefäss. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Destillierhelm, mit dem man damals Arzneimittel herstellen konnte. Das Fundensemble wird ergänzt mit vielen Tierknochen, Fragmenten von Ofenkeramik, Glas-, Eisen- und Bronzeobjekten.

Erster Schritt bei der Bearbeitung ist die Passscherbensuche. Foto Kantonsarchäologie Aargau, Béla Polyvás; © Kanton Aargau

Die Masterarbeit der Universität Zürich beschäftigt sich in erster Linie mit der typologischen und chronologischen Einordnung der Funde im Einzelnen und des Fundkomplexes im Gesamten. Wie genau datiert die Keramik und welche Gefässtypen sind anzutreffen? Was könnte der Grund dafür sein, dass man die offensichtlich intakten Gefässe vor der Verfüllung des Kellers nicht herausnahm? Könnte die Auflassung des Kellers gar mit der Belagerung von Laufenburg im Jahr 1443 in Zusammenhang stehen?

Foto Kantonsarchäologie Aargau, Béla Polyvás; © Kanton Aargau

Nicht nur die medizinischen Gefässe sondern auch der Flurname Siechebifang weist darauf hin, um welche Art von Gebäudeüberrest es sich handeln könnte. Es ist eine typische mittelalterliche Institution, die zu jeder grösseren Stadt gehörte: Das Siechenhaus. Stets ausserhalb der städtischen Befestigungsmauern gelegen, beherbergte es Menschen, die an Aussatz bzw. Lepra erkrankt waren. Dadurch waren diese Menschen von der Gesellschaft ausgeschlossen, das heisst „aussätzig“. Die Institutionen pflegten die Erkrankten so gut wie damals möglich und versorgten sie medizinisch.

In diesem Kontext ergeben sich auch hier Fragen: Welche Objekte sind denn überhaupt in einem Siechenhaus zu erwarten? Lässt sich ein derartiger Komplex von anderen unterscheiden, zum Beispiel von demjenigen eines Gast- oder Bürgerhauses? Kann die scheinbar schlechte Produktionsqualität zahlreicher Gefässe als Indiz dafür gelten, dass wir es mit einem Siechenhaus zu tun haben, weil hier vielleicht mangelhafte Gefässe als Schenkung abgegeben wurden? Diese und weitere Fragen sollen in den kommenden Monaten beantwortet werden und damit klären, ob dieser Keller tatsächlich das ist, was er zu sein scheint: Der letzte Rest des einstmaligen Laufenburger Siechenhauses.

Publikation

Derzeit wird die Publikation zum Laufenburger Siechenhaus vorbereitet. Sie erscheint voraussichtlich noch 2019.