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5. Feldkurs für Freiwillige in Kaiserstuhl: Zurück ins Mittelalter

Ausschnitt aus der Michaeliskarte von 1840.

Der 5. Feldkurs für Freiwillige fand im Spätsommer 2023 in Kaiserstuhl statt und führte die Freiwilligen erstmals ins Mittelalter.

Das Städtchen Kaiserstuhl, am Rhein gelegen, hat bis heute seinen mittelalterlichen Charakter bewahrt. Die Stadt wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts zur Sicherung des Rheinübergangs gegründet. Die ehemalige Stadtbefestigung ist in Teilen bis heute erhalten. Mit ihren Wehrtürmen war sie für die damalige Zeit äusserst fortschrittlich.

Freiwilligen-Blog

Beitrag 1: Hinter den Hecken (1.9.2023)

Hinter den Hecken

Fotos: Freiwillige Bruna

Von Bruna, Freiwillige

Nein, hier sind nicht die Dreharbeiten für die SRF-Sendung „Hinter den Hecken“ am Laufen, die Einblicke in die unterschiedlichsten Gärten der Schweiz gewährt. Vielmehr wird privat ein Tor geöffnet, damit Freiwillige im Rahmen des alljährlichen Feldkurses wiederum in die Welt der Archäologie eintauchen können. Dieses Jahr im beschaulichen Städtchen Kaiserstuhl.

Die Platzverhältnisse sind eng, ebenso der Kontakt zu den Besitzern.

Bruna Freiwillige

Schliesslich muss unter anderem geklärt werden, welche Pflanzen im abgesteckten Feld nach Abschluss der Arbeiten wieder eingesetzt werden sollen und welche in die Grünabfuhr landen dürfen, wo die Stauden zur Aufbewahrung platziert und welche Bereiche für Humus und weitere Schichtabtrage genutzt werden können. Aber nicht nur diese Privatheit ist neu am diesjährigen Feldkurs: Nachdem wir in den Jahren vorher an die Bronze- und Römerzeit herangeführt wurden, gilt es heuer das Mittelalter zu entdecken. Da bietet sich Kaiserstuhl mit seinem bis heute erhaltenen mittelalterlichen Charakter geradezu an. Eine weitere Neuheit zeigt sich in der Dokumentation der Grabungsbefunde. Aufgrund der kleinen Grabungsflächen wird auf das für uns gewohnte manuelle Fotografieren, Handzeichnen und Nivellieren verzichtet. Damit für die Beteiligten keine Wartezeiten entstehen, werden hierfür neue Technologien angewendet.

Ich fand es äusserst interessant, zu erfahren, wie nach dem Einmessen der Fixpunkte im Grabungsfeld aus mehreren Drohnenaufnahmen ein 3D-Modell des Befundes per Software zusammengesetzt und daraus ein 2D-Plan als Ansichtsplan erstellt werden kann. Dieser dient dem Archäologen für den dazu ergänzenden beschreibenden Grabungsbericht. Die Dokumentation ist nach Abschluss einer archäologischen Ausgrabung die wichtigste Grundlage für eine Auswertung und Interpretation. Welche Methode und welche Hilfsmittel angewandt werden, bleibt von Fall zu Fall abzuwägen. Wie bei so Vielem gibt es auch hier Vor- und Nachteile. Ich wünsche meinen Kolleginnen und Kollegen für die verbleibende Ausgrabungszeit weitere spannende Einblicke und dass sie noch möglichst viele Informationen über die Vergangenheit zu Tage bringen, um sie für die Nachwelt festhalten zu können.

Danach dürfen Himbeerstauden, Akelei, Traubenhyazinthen und Tageslilien ihren angestammten Platz hinter den Hecken wieder zurückerobern.

Beitrag 2: Archäologie in der Anflugschneise (6.9.2023)

Archäologie in der Anflugschneise

Von Hans, Freiwilliger

Es ist ja ein ganz putziges Städtchen, dieses Kaiserstuhl, welches seine Besitzungen jenseits des Rheins hatte, wo die Schweiz nicht mehr weitergeht. Vom Turm aus kann man das ganze Städtchen mit einer Einstellung fotografieren, auf der Hauptgasse sitzt ein Mädchen und malt etwas mit Kreide, es gibt weder Migros noch Coop, sondern nur das Stadtlädeli von Mena, welche einem die bestellten Gipfel sogar vorbeibringt. Alles ist ruhig und beschaulich.

Wir sind um das Grabungsfeld 1 versammelt und lauschen den Ausführungen unseres Chefs: „In diesem Teil ist die Situation noch sehr unklar, es sieht so aus, dass diese Mauer erst im Nachhinein ..." und dann geht es los, denn Kaiserstuhl liegt exakt unter der Anflugschneise von Norden!

RRRIIOOOOOMM A 380

Hans Freiwilliger

...die Lage des Durchbruchs in der Mitte deutet darauf hin, dass − RRRIIOOOOOMM A 384 −... und auch die Ziegelfunde in diesem Bereich sind wahrscheinlich erst − RRRIIOOOOOMM Boeing 737-800 − ...ssen wir erst abwarten, ob die nächste Schicht eine Fortsetzung dieser Mauer zeigt oder ob eventuell schon vor dem Brand ein Teil des Geb... − RRRIIOOOOOMM A 321 − ...rausgesetzt, dass sich die Bollensteine hinten rechts im Aussenbereich des Gebäudes befunden haben. Das wird sich hoffentlich mit dem nächsten Abtrag noch klä... − RRRIIOOOOOMM A 330 − ... und Ganzen noch ziemlich unklar. Hat jemand noch Fr... − RRRIIOOOOOMM Boeing 747-400 − ... Niemand hat noch Fr. Wir stellen fest, dass noch vieles unverständlich ist und machen uns wieder an die Arbeit.

Beitrag 3: A wie... (12.9.2023)

A wie ...

Älterer Mann gräbt ein Metallgefäss aus.

Von Hans, Freiwilliger

... aussergewöhnlich, A wie Alter Hase oder A wie ausgefuchst. Alles passt zu diesem stetigen Teilnehmer der Feldkurse, von dem hier die Rede sein soll.

Selbstverständlich sind wir Freiwilligen uns bewusst, dass es bei den Ausgrabungen nicht in erster Linie um das Ausbuddeln prächtiger Gefässe, filigraner Broschen oder Kübel voller Goldmünzen geht, sondern um "Erkenntnisgewinn". Nicht auf Funde sollen wir uns einlassen, sondern auf Befunde, allenfalls auch auf negative Befunde. Denn auch wenn da nur schlammige Bollensteine, aufgeweichte Hornstücke oder rostige Türscharniere zu Tage gefördert werden und diese eher aus dem 19. als aus dem 14. Jahrhundert stammen, ergibt dies einen Erkenntnisgewinn. Aber, mal ehrlich, glücklich macht uns das nicht gerade.

Wir wollen schon ein bisschen Gold sehen, die eine oder andere Henkeltasse, ein schön verziertes Rasiermesser.

Hans Freiwilliger

Und hier kommt nun eben A ins Spiel. Während wir gewöhnlichen AusgräberInnen uns folgsam ans Abtragen der nächsten Schicht machen und immer wieder enttäuscht werden, wenn das kleine Objekt, welches auf der Kelle auftaucht, schon wieder ein Nagel ist, läuft das bei A anders. Er ergreift zwar die gleichen Spaten oder Kratzer wie wir alle, aber er hat ein untrügliches Gespür dafür, wo im Grabungsfeld er sie anwenden soll. Dann dauert es jeweils nur kurze Zeit, bis man von ihm ein "aha!" oder ein "ja, was haben wir denn da" hört. Und sorgfältig löst er dann, unter den gespannten Blicken der anderen Kratzer- und Schauflerinnen, welche ihre Grabereien unterbrochen haben, eine Münze, einen Kamm, das Bodenstück einer verzierten Schale inklusive Manufakturstempel aus dem Schutt. Oder gleich ein ganzes Trinkgefäss!

Nachdem dann der Fund im richtigen Kistchen abgelegt ist, wenden sich alle wieder hoffnungsvoll ihrem Stück Boden zu, füllen Kübel um Kübel, bis von nebenan wieder ein "aha!" tönt, das uns gespannt und minimal frustriert hinüber schauen lässt, worauf die Spürnase von A wie Albert dieses Mal gestossen ist.

Wie macht der Kerl das nur?

Beitrag 4: Sisyphus in Kaiserstuhl (15.9.2023)

Sisyphus in Kaiserstuhl

von Urs, Freiwilliger

In der griechischen Sage hatte einst Sisyphus, der König von Korinth, die Götter verärgert. Zur Strafe sollte er einen schweren Stein den Berg hinaufrollen, der ihm immer wieder entglitt. Er musste immer wieder von vorne beginnen und erreichte sein Ziel nie.

Ein Beobachter könnte versucht sein, das diesjährige Projekt mit der griechischen Sage in Verbindung zu bringen. Wir Freiwilligen hoben Gräben aus und schütteten sie am Ende wieder zu. Dabei zeigte sich, dass bereits nach dem Brand im 19. Jahrhundert die ehemaligen Keller mit Schutt gefüllt wurden, den wir jetzt akribisch ausgruben und untersuchten, bevor der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wurde.

Doch dieser Eindruck täuscht. Es wurden in diesen drei Wochen nicht nur Schutt, Ziegelsteine, Gefässe oder altes Geschirr zu Tage gefördert, sondern auch verschiedene Erdschichten, unterschiedlich gestaltete Mauern oder sorgfältig mit Steinen gepflästerte "Wannen". Dies bot Anlass für Hypothesen über das frühere Aussehen und die Dimensionen der abgebrannten Häuser. Nicht alle Fragen konnten geklärt werden, weil die Quellenlage des damaligen Brandes dünn ist und weil das Erdreich nur partiell abgetragen wurde. Ob es einen Zusammenhang des Ereignisses mit der in einem der Gebäude eingerichteten Bäckerei gibt? Man kann es nur vermuten.

Der dreiwöchige Einsatz war für die Freiwilligen erneut sehr lehrreich.

Urs Freiwilliger
Schüler stehen rund um die Abschrankung zur kleinen Grabungsfläche herum.

Wir konnten uns mit der praktischen Arbeit von Ausgrabungen beschäftigen, einen Einblick in die Vermessungstechnik erhalten und einen Beitrag leisten zur Methodik der Dokumentation von Fundstellen und den Erdschichten mittels Fotografie und Zeichnungen. Spannend war auch dieses Jahr wieder der Erfahrungsaustausch mit den Fachleuten der Kantonsarchäologie und der Einblick in die umfangreiche Sammlung der Funde in Windisch sowie die Herausforderungen im Umgang mit der Konservierung, Dokumentation und Lagerung der Funde.

Erfreulich ist ausserdem, dass die archäologische Grabung auch dieses Jahr wieder das Interesse der Öffentlichkeit weckte. An einem Nachmittag erkundigte sich die Lehrerin einer Schulklasse, welche in Kaiserstuhl ein Klassenlager unter dem Thema Mittelalter durchführte, ob wir den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in unsere Arbeit vermitteln könnten. Dies führte zu einem angeregten Austausch mit der Klasse am folgenden Morgen. Auch die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt bekamen die Gelegenheit, sich an einer öffentlichen Führung oder bei einem spontanen Besuch über die Hintergründe der seit Generationen klaffenden Baulücke in der Altstadt zu informieren. So konnten wir Freiwilligen während unserer Arbeit einen wertvollen Beitrag leisten zum besseren Verständnis der Archäologie und unserer Vergangenheit.

Feldkurs untersucht Lücke

Mitten in der Altstadt von Kaiserstuhl blieb nach einem Brand im 19. Jahrhundert eine Lücke zurück, die nicht mehr überbaut wurde. Hier müssen sich noch Überreste der mittelalterlichen Bebauung im Boden befinden. Das heute als Bauparzelle ausgewiesene Areal untersucht die Kantonsarchäologie zusammen mit Freiwilligen während dem diesjährigen Feldkurs. Dadurch erhofft sich die Kantonsarchäologie neue Erkenntnisse zur ursprünglichen Bebauung. Diese bilden bei einem zukünftigen Bauprojekt wertvolle Planungsgrundlagen.

Eine Lücke in der mittelalterlichen Altstadt von Kaiserstuhl im Drohnenfoto.
Die Baulücke an der Hauptgasse in Kaiserstuhl aus der Vogelperspektive. Hier standen bis zu einem Brand 1870 zwei Häuser.