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Strom- und Gas-Mangellage – Reservekraftwerk Birr nur Notlösung für Winter 2022/23 bis 2024/25 :
Regierungsrat fordert rasche Realisierung von Gaskraftwerkprojekt Birr, freiwillige Kontingentierungen und Überprüfung Massnahme zyklische Netzabschaltungen

Der Regierungsrat erachtet in seiner Vernehmlassungsantwort zur Winterreserveverordnung das Reservekraftwerk in Birr als Notlösung nur für die Winter 2022/23 bis 2024/25. Er fordert dabei die rasche Realisierung des Projekts für ein eingehaustes reguläres Reservegaskraftwerk in Birr, welches eine erheblich geringere Umweltbelastung aufweisen würde. Weiter verlangt der Regierungsrat freiwillige Kontingentierungen für Grossverbraucher sowie die Überprüfung des Konzepts für zyklische Netzabschaltungen (Massnahmen Stufe 4 bei einer Strommangellage). Der Regierungsrat hält trotz verbesserter Prognosen das kantonale Krisenmanagement zur Bewältigung einer Strom- und Gas-Mangellage aufrecht – im Hinblick auf nach wie vor bestehende Risiken im Frühjahr 2023 und vor allem die nachfolgenden Winterhalbjahre. In der Frage der Unterstützung für Wirtschaft und Privathaushalte sieht der Regierungsrat die Führungsrolle beim Bund.

Der Regierungsrat begrüsst und unterstützt grundsätzlich die Stossrichtung der vom Bund in die Vernehmlassung gegebenen Winterreserveverordnung. Diese ist für den Kanton Aargau von hoher Relevanz, weil damit der Rahmen abgesteckt wird, wann und wie oft das Reservekraftwerk Birr in Betrieb genommen werden kann. Der Aargau ist mit der in Birr geplanten Anlage Standortkanton des grössten und immissionsträchtigsten Reservekraftwerks der Schweiz. "Der Aargau nimmt damit national seine Verantwortung als Energiekanton wahr und ist auch bereit dazu, in einem gewissen Rahmen die damit verbundenen Lasten zu tragen", betont Regierungsrat Stephan Attiger, Vorsteher des Departements Bau, Verkehr und Umwelt: "Die im Freien aufgestellten Turbinen des Reservekraftwerks stellen für die Bevölkerung und Umwelt eine grosse Lärm- und Luftbelastung dar. Deshalb fordert der Kanton Aargau, dass zuerst alle anderen Optionen ausgeschöpft werden, bevor das Reservekraftwerk in Birr zum Einsatz kommt".

Der Aargauer Regierungsrat erachtet das Reservekraftwerk in Birr als kurzfristige Notlösung für die Winter 2022/23 bis 2024/25; er fordert den Bund auf, rasch und zielgerichtet für die Folgewinter andere Lösungen und Massnahmen zu realisieren.

Bevölkerung und Umwelt entlasten sowie Potenzial an Notstromaggregaten nutzen

Die Winterreserveverordnung wird bestimmend dafür sein, wann und wie oft die Reservekraftwerke (nebst der Wasserkraftreserve und aggregierten Notstromaggregaten) eingesetzt werden könnten. Der Regierungsrat fordert, dass zuerst alle anderen Optionen ausgeschöpft werden, bevor das Reservekraftwerk Birr zum Einsatz kommt: zum Beispiel zuerst der Einsatz der Wasserkraftreserve beziehungsweise der Notstromaggregate (NSA).

Der Betrieb der mobilen, im Freien aufgestellten Turbinen stellt für die Gemeinde und die Bevölkerung eine grosse Lärm- und Luftbelastung dar. Insbesondere muss der gesetzliche Zeitrahmen während der Nacht (19 bis 7 Uhr) für den Beurteilungspegel für die Schallimmission so weit als möglich eingehalten werden.

Die Kriterien für den Einsatz von Notstromaggregaten als Reserve sind aus Sicht des Regierungsrats in der Winterreserveverordnung zu eng gefasst. Die Notstromaggregate (NSA) können eingesetzt werden, um Engpässe und Überlastungen im Netz zu vermeiden; dabei müssen unbedingt auch jene Aggregate berücksichtigt werden, die den Netzbezug von Grossverbrauchern reduzieren. Das Potenzial an NSA muss möglichst ausgeschöpft werden, unter der Berücksichtigung von Lärm- und Luftbelastungsaspekten.

Reguläres Reservegaskraftwerk in Birr frühzeitig in Betrieb nehmen

Der Regierungsrat erachtet das jetzt in Birr realisierte Reservekraftwerk als Notlösung nur für die Winter 2022/23 bis 2024/25. Es muss so rasch als möglich, spätestens 2026, ersetzt werden. Gemäss neuesten Erkenntnissen könnte in der heute bereits in Birr existierenden Kraftwerksanlage eine reguläre Gasturbine mit einer Leistung von bis zu 350 Megawatt ab 2025 in Betrieb genommen werden. Voraussetzungen dazu sind die rechtzeitige Einreichung eines Baugesuchs mit aktualisiertem Umweltverträglichkeitsbericht. Der Regierungsrat erwartet, dass der Bund mit hoher zeitlicher Priorität die dazu notwendigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schafft, damit rasch eine umweltverträglichere Reservekraftwerk-Lösung mit höherer Leistung realisiert werden kann.

Abschaltungen planbar machen und entschädigen – Freiwillige Kontingentierungen fördern

Die umweltfreundlichste und effizienteste Art, die Stromversorgung zu entlasten, ist der freiwillige Verzicht auf Strombezug. Der Kanton Aargau regt deshalb beim Bund die Einrichtung eines Systems für frühzeitige, planbare und günstig zu erwirkende freiwillige Kontingentierungen an (Demand-Side-Response-Markt). Mit diesem System des Lastmanagements kann die Stromnachfrage wirksam gesteuert werden.

Vor allem bei industriellen Grossverbrauchern kann durch das gezielte und frühzeitig planbare Ab- und Zuschalten von Lasten gegen Entschädigung ein grosses Potenzial genutzt werden. Hierbei können Revisionen und Prozesse vorausschauend geplant und gelenkt werden, für die sich der Stromeinsatz variieren lässt – zum Beispiel in Öfen oder Pumpen.

Bei der Einführung und Ausgestaltung eines solchen Systems sind Missbrauchsrisiken und Aspekte des Arbeitnehmendenschutzes (zum Beispiel Lohnausfälle, kurzfristig angeordnete Betriebsferien) zu berücksichtigen.

Auch in der Wirtschaft gibt es Überlegungen und Forderungen nach einem System von freiwilligen Kontingentierungen mit Entschädigungszahlungen. So fordert zum Beispiel der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem vom Bund Abklärungen zum gezielten Abschalten von Grossverbrauchern gegen Entschädigung, um für die Wirtschaft drastische Massnahmen zu verhindern.

Konzept für zyklische Netzhabschaltungen (Stufe 4 Strommangellage) überprüfen

In der Stufe 4 der Massnahmen für eine Strommangellage sind als Ultima Ratio zyklische Netzabschaltungen vorgesehen. Dabei sollen regionale Zonen während 4 Stunden vom Netz getrennt und danach 4 oder 8 Stunden wieder mit Strom beliefert werden.

Bei der Eventualplanung stellte die kantonale Task Force Versorgungssicherheit fest, dass diese Massnahme nicht wie vorgesehen umgesetzt werden kann beziehungsweise mit Problemen verbunden ist. Bei Stromabschaltungen können versorgungsrelevante Verbraucher wie zum Beispiel Altersheime oder andere Gesundheits- und Betreuungseinrichtungen aus technischen Gründen nicht ausgenommen werden. Bei Kommunikationsinfrastruktur-Einrichtungen kann regelmässiges Ein- und Ausschalten zu Systemschäden führen; dadurch müssten der öffentliche Verkehr und systemkritische Produktionsbetriebe – unabhängig von der Stromverfügbarkeit – den Betrieb einstellen.

Der Regierungsrat erwartet deshalb, dass der Bund die Massnahme der zyklischen Netzabschaltung überdenkt beziehungsweise überarbeitet. Die notwendigen Energieersparnisse könnten mit anderen Ansätzen, zum Beispiel verstärkten Kontingentierungen, gezielter realisiert werden.

Befristete Mehrproduktion bei zwei Wasserkraftwerken bewilligt

Der Bundesrat hat den Kantonen empfohlen, in ihrem Zuständigkeitsbereich Massnahmen zur Erhöhung der Stromproduktion bei Wasserkraftwerken zu prüfen. Dazu gehören die temporäre Anhebung der Stauhöhe bei Flusskraftwerken oder das Halten eines maximalen Staupegels, unter Vermeidung von negativen Nebenwirkungen.

Im Kanton Aargau haben bisher zwei Kraftwerke entsprechende Gesuche gestellt. Der Regierungsrat hat diese per Sonderverordnung bewilligt, die am 17. November 2022 in Kraft tritt und bis zum 30. April 2023 gilt. Das Kraftwerk Bremgarten-Zufikon wird einen Höherstau um 10 Zentimeter umsetzen, das Kraftwerk Ruppoldingen wird das maximale Stauziel gemäss Konzession konstant hochhalten können. In beiden Fällen sind keine Schäden oder Gefährdungen zu erwarten. Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt wird zudem Kontrollauflagen für die betroffenen Kraftwerkunternehmen verfügen.

Kantonales Krisenmanagement wird aufrechterhalten

Eine vom Bund in Auftrag gegebene System-Adequacy-Studie zeigt, dass es gemäss aktuellen Einschätzungen für das Winterhalbjahr 2022/23 wahrscheinlich nicht zu einer Strommangellage kommen wird. Die empfohlenen Energiesparmassnahmen sowie die getroffenen Vorkehrungen (zum Beispiel Bereitstellung von Reservekraftwerken) sind aber nach wie vor notwendig, um die stark angespannte Energieversorgung stabilisieren und verbleibende Risikoszenarien meistern zu können; dazu gehören zum Beispiel ein ungeplanter, grossflächiger Kernkraftwerkausfall, Produktionsprobleme bei französischen Kernkraftwerken oder Sabotageakte gegen Energieeinrichtungen im Zuge des Ukrainekrieges.

Das kantonale Krisenmanagement wird aufrechterhalten, insbesondere auch im Hinblick auf die sich in den Folgewintern abzeichnenden Engpässe bei der Energieversorgung. Die Task Force Versorgungssicherheit hat in den letzten Wochen in einem Bericht zuhanden des Regierungsrats die systemkritischen Bereiche im Kanton beziehungsweise der Kantonsverwaltung analysiert und definiert, um auch im Falle von Eskalationsszenarien die Grund- und Notversorgung sowie die Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit des Regierungsrats und der Krisenorganisation aufrechterhalten zu können.

Weiter wurden die Informations- und Kommunikationsangebote weiter ausgebaut, unter anderem mit einem zweiwöchentlich erscheinenden Newsletter Strom- und Gas-Mangellage sowie der im Rahmen der nationalen Energiespar-Alliance lancierten kantonalen Energiesparfuchs-Kampagne. Der Kanton steht nach wie vor in einem regelmässigen Austausch mit wichtigen Anspruchsgruppen und Partnern wie zum Beispiel Gemeinden, Wirtschaft oder Energieversorger.

Auswirkungen für Wirtschaft und Bevölkerung

Die aktuelle Situation stellt die Bevölkerung und die Wirtschaft vor grosse Herausforderungen. Steigende Energiepreise verteuern die Lebenshaltungskosten bei der Bevölkerung und die Produktionskosten bei den Unternehmen. Nebst den steigenden Energiepreisen treiben pandemiebedingte Engpässe bei den Lieferketten und ein Fachkräftemangel die Inflation weiter an.

Der Kanton wirkt mit verschiedenen Regelungen drohenden Kaufkraftverlusten entgegen. So sieht das Aargauer Steuergesetz einen jährlichen Ausgleich der kalten Progression vor. Diese entsteht, wenn Arbeitnehmende trotz Lohnerhöhung aufgrund der Teuerung keine reale Kaufkraftsteigerung erhalten, aber dennoch wegen des progressiven Tarifverlaufs höhere Steuern zahlen müssen. Zudem wurde im Rahmen der Steuergesetzrevision 2022 der Versicherungsabzug nicht nur erhöht, sondern er wird auch jährlich den Prämienentwicklungen angepasst.

Auch in der Sozialhilfe wird die Teuerung jährlich ausgeglichen. Beispielsweise erfolgt eine Anpassung beim Grundbedarf der Lebenshaltungskosten, bei den Wohnnebenkosten, bei den Ergänzungsleistungen sowie auch in der Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen oder Elternschaftsbeihilfen.

Der Regierungsrat verzichtet auf weitere Unterstützungsmassnahmen und lehnt die Motion der Fraktionen SP, Grüne und FDP vom 6. September 2022 ab. Diese verlangt zusätzliche Massnahmen, um den Auswirkungen der steigenden Energiepreise und der Teuerung entgegenzuwirken.

Er wird jedoch im Sinne einer Eventualplanung Massnahmen zur Abfederung für Unternehmen prüfen, die von behördlich verordneten Nutzungsverboten, Kontingentierungen oder Netzabschaltungen erheblich betroffen wären. Die Umsetzung solcher Massnahmen müsste jedoch gesamtschweizerisch abgestimmt werden. Sie setzen zudem eine massgebliche finanzielle Beteiligung durch den Bund voraus, weil die Finanzierungsmöglichkeiten des Kantons aufgrund der aktuellen Finanzsituation sehr beschränkt sind.

Der Kanton bleibt weiterhin im Dialog mit der Wirtschaft und trifft sich regelmässig mit den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften, um Massnahmen abzustimmen.

Informationen zur Strom- und Gas-Mangellage

Auf der Webseite www.ag.ch/mangellage sind umfassende Informationen zur Strom- und Gas-Mangellage zu finden, inklusive FAQs. Weiter sind dort auch Tipps zum Themenbereich Energiesparen, -effizienz und -produktion verfügbar. Überdies steht für diese Themen die energieberatungAARGAU mit einer Hotline-E-Mail-Adresse ( energieberatung@ag.ch ) sowie per Telefon zur Verfügung: +41 62 835 45 40.

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