Die Verkehrsinfrastruktur in der Schweiz, so auch im Kanton Aargau, stösst zunehmend an ihre Grenzen. Das prognostizierte Verkehrswachstum wird nicht nur beim Personenverkehr, sondern auch beim Güterverkehr stattfinden, welcher die Versorgung der Wirtschaft und der Bevölkerung mit Gütern sicherstellt. Der Strukturwandel des Logistiksektors mit der Verdrängung der Logistik aus den Zentren in die Peripherie und dem Trend der zunehmend kleinteiligeren Warensendungen führen zu einem überproportionalen Wachstum bei den Güterverkehrsströmen. Der Regierungsrat begrüsst daher die private Initiative von Cargo sous terrain (CST), mit einem komplementären, unterirdischen Güterverkehrssystem einen nachhaltigen Beitrag zur Bewältigung des wachsenden Güterverkehrs leisten zu wollen. Dies schreibt der Regierungsrat in seiner nun publizierten Stellungnahme zum Sachplan Verkehr, Teil Unterirdischer Gütertransport.
Aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen aus der vorgelagerten kantonalen eAnhörung vom 1. März 2024 bis am 30. April 2024 (siehe Box) und der fachlichen Beurteilung durch die kantonalen Fachstellen stellt der Regierungsrat fest, dass verschiedentlich noch grundsätzliche Vorbehalte zur Vorlage sowie Unsicherheiten oder Unbehagen zu verschiedenen Aspekten des Vorhabens bestehen. Im Hinblick auf die Festsetzung im Sachplan Unterirdischer Gütertransport ortet der Regierungsrat bei den Massnahmen noch in verschiedenen Punkten Abstimmungsbedarf.
Konflikt mit Erdwärmenutzung: kein unverhältnismässiger Eingriff in Grundeigentumsrechte
In mehreren Stellungnahmen wurden Bedenken bezüglich bestehender oder geplanter Erdwärmesonden geäussert. Der Regierungsrat gibt zu bedenken, dass die Planungskorridore teilweise in Konflikt mit den Eignungsgebieten für Erdwärmenutzungen stehen und damit der diesbezügliche Handlungsspielraum teilweise eingeschränkt werden kann. Aus Sicht des Regierungsrats darf kein unverhältnismässiger Eingriff in die Ausübung der Grundeigentumsrechte entstehen. Die potenzielle Realisierung von Erdwärmenutzung soll – gerade vor dem Hintergrund der Energiestrategie 2050 – nicht unnötig eingeschränkt werden. Bei allfälligen Beeinträchtigungen von bestehenden Nutzungen durch CST hat das Verursacherprinzip zu gelten.
Anders als bei den geplanten Bahntunnels mit Radien von mehreren tausend Metern lässt das geplante Transportsystem weitaus geringere Radien zu und ist somit bezüglich Linienführung deutlich flexibler. Um den nötigen Handlungsspielraum für eine möglichst konfliktfreie Linienführung zu schaffen, sollen die Planungskorridore, soweit sinnvoll und zweckmässig, über das Siedlungsgebiet ausgeweitet werden. Sollte dies nicht möglich sein, und insbesondere im Zusammenhang mit der weiteren Projektkonkretisierung bei den Festsetzungsarbeiten im Sachplanverfahren, sind die Planungskorridore im Bereich des Siedlungsgebiets auf ein Minimum einzuengen, um die Anzahl der Betroffenen so gering wie möglich zu halten. Dies ermöglicht auch ein effizienteres Verfahren bei der anschliessenden Festsetzung der Linienführung im Kantonalen Richtplan
Auch Aargauer Haupt-Hubs mit City-Logistik-Konzepten in das Gesamtsystem einbinden
Der Festlegungsinhalt verpflichtet CST als künftigen Betreiber der neuen Infrastruktur, den Kantonen ein City-Logistik-Konzept vorzulegen, mit dem eine Reduktion des Güterverkehrs auf der Strasse auf gewissen Strecken erreicht werden kann. Bei der Erarbeitung des Konzepts seien die betroffenen Städte und Kantone einzubeziehen. CST unterscheidet je nach Hauptfunktion verschiedene Arten von Hub-Standorten. Bisher ist einzig für die sogenannten City-Hubs im Raum Zürich die Einbindung in eine City-Logistik vorgesehen. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass auch die sogenannten Haupt-Hubs in den Kantonen Aargau und Solothurn bereits mit der ersten Etappe eine gewisse Verteilfunktion übernehmen, die im Endausbau noch stärker in Erscheinung treten wird. Der Regierungsrat erachtet deshalb die Festlegung als sinnvoll. Insbesondere soll aufgezeigt werden, wie die Zentrumsstädte entlang des Planungskorridors sinnvoll mit City-Logistik-Konzepten in das Gesamtsystem eingebunden werden können.
Für Erschliessungskosten auf Strasse und Schiene das Verursacherprinzip anwenden
Weiter wird im Konzeptteil des Sachplans für einzelne Projektteile postuliert, dass die Kosten für die Planung wie auch die Realisierung der lokalen Erschliessung auf Strasse und Schiene nach den Vorteilen auf die Betroffenen verteilt werden. Dieser Punkt steht im Widerspruch zum Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen (Baugesetz, BauG) des Kantons Aargau, wonach für Anlagen des Strassenverkehrs das Verursacherprinzip anzuwenden ist. Infolge Mehrverkehr auf den Zufahrtsstrassen zu den Hubs ist mit Anpassungen der Infrastruktur zu rechnen. Verursacher ist in diesem Fall CST. Die verkehrliche Mehrbelastung sowie die Funktionsweise der Verkehrsinfrastrukturen sind durch den Verursacher nachzuweisen. Gestützt auf § 90 Abs. 2 BauG gehen die Kosten neuer Zufahrten und Zugänge sowie ihrer Erweiterung und die nachträgliche Anpassung der Strassen oder Strassenbestandteile zu Lasten der Verursacher. Entsprechend stellt der Regierungsrat den Antrag, anstelle der Aussage zum Kostenverteiler auf die einschlägigen kantonalen Gesetze über die Zuständigkeiten und Finanzierung von Strassen zu verweisen (im Kanton Aargau: BauG).
Der Regierungsrat hat zudem zu weiteren Punkten im Sachplan Stellung genommen – unter anderem zum Planungsperimeter für den Zwischenangriff (ZA) beziehungsweise die Unterhaltsstelle (US) Limmattal, zum Planungsperimeter ZA/US Hendschiken und zum Planungsperimeter HubSuhr, bei dem die räumliche Abstimmung für die Festsetzungsreife noch nicht erlangt ist. Beim Planungsperimeter ZA/US Sandgrueb stimmt der Regierungsrat der Festsetzung nicht zu beziehungsweise meldet aufgrund der ungenügenden Erschliessung einen Vorbehalt aus raumplanerischer Sicht an. Die einzig mögliche Erschliessung müsste auf verkehrsberuhigten Erschliessungsstrassen (Tempo-Zone-30) durch ein Einfamilienhausquartier (WZ 2) geführt werden. Ein Bahnanschluss dürfte für diesen Standort auch nicht machbar sein. Der Standort ist zu streichen oder dem Koordinationsstand Vororientierung zuzuweisen. Dies entspricht auch den Stellungnahmen der Gemeinde Aarburg und Zofingen Regio.
Planungskorridore, Planungsperimeter und Zwischenangriffe festsetzen
Das Bundesgesetz über den unterirdischen Gütertransport (UGüTG) verpflichtet die betroffenen Standortkantone die Linienführung und die Hubstandorte in den Kantonalen Richtplänen aufzunehmen und festzusetzen. Dafür sind aus Sicht des Regierungsrats zwingend stabile Rahmenbedingungen auf Stufe Sachplan erforderlich. Die Planungskorridore, Planungsperimeter und die Zwischenangriffe / Unterhaltsstellen müssen auf Stufe Sachplan abschliessend räumlich koordiniert und festgesetzt sein. Der Kanton Aargau wird demzufolge das Richtplanverfahren erst einleiten, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.