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MiGeL: Kanton, Gemeinden und Verbände üben Kritik :
Gesundheitsdirektorin kämpft für Patientinnen und Patienten

Aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2017 stellten etliche Krankenversicherer die Zahlung für im Rahmen der Pflege verwendeten Mittel und Gegenstände (MiGeL) ein. Die Folge: erhebliche Ertragsausfälle bei den Leistungserbringern. Kanton, Gemeinden und Verbände kritisieren in ihrer Medienkonferenz die Praxis der Versicherer und schlagen ein gemeinsames Vorgehen vor. Ein vom Departement Gesundheit und Soziales (DGS) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass der Vertrauensschutz klar höher gewichtet werden muss als die konsequente Rechtsdurchsetzung.

Bis 2017 konnten Pflegeheime und Spitexbetriebe die Kosten für Mittel und Gegenstände (MiGeL) wie Verbandsmaterial oder Inkontinenzhilfen den Krankenversicherern zusätzlich zu den Pflegetarifen gemäss Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) verrechnen. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2017 stellte dann fest, dass sowohl die Kosten als auch die Applikation der Mittel und Gegenstände Bestandteil der regulären Pflegeleistung sind. Das bedeutet, dass diese Kosten Teil der Pflegekosten sind, die von den Versicherern, den Patienten und den Gemeinden geteilt werden. Indes wurde bei der Festlegung der KLV-Tarife – aufgrund der bisherigen Praxis der separaten Verrechnung – die Kosten für Mittel und Gegenstände nicht einbezogen. Die Folge ist ein unmittelbarer Ertragsausfall in der Höhe von über vier Millionen Franken für die Pflegeheime sowie in unbekannter Höhe für die Spitexbetriebe.

"Als Folge könnte es passieren, dass Heime pflegebedürftige Menschen, die auf umfangreiches und teures Pflegematerial angewiesen sind, nicht aufnehmen", sagt Edith Saner, Grossrätin und Präsidentin der Aargauischen Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen (VAKA) anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz des DGS mit dem Spitex Verband Aargau, der VAKA und der Gemeindeammänner-Vereinigung (GAV).

Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts folgt zudem eine Unterscheidung von Mitteln und Gegenständen, die entweder von der pflegebedürftigen Person selbst oder einer nichtberuflich beteiligen Person angewendet werden und solchen, die durch das Pflegepersonal angewendet werden. Dazu sagt Max Moor, Geschäftsleiter des Spitex Verband Aargau: "Durch diese unsinnige Unterscheidung entsteht ein administrativer Overkill, wenn wir Verbrauchsmaterial danach abrechnen müssen, ob jemandem bei der Anwendung geholfen wurde oder ob es der Patient selbst gemacht hat."

Das Bundesverwaltungsgerichtsurteil hielt jedoch keine Bestimmungen geschweige denn Fristen zur Umsetzung des Systemwechsels fest. Praktisch alle Krankenversicherer stellten die Zahlungen für Mittel und Gegenstände von einem Tag auf den anderen ein.

Die Bevölkerung bezahlt doppelt

In der Pflegefinanzierung sind sowohl die Beiträge der Krankenversicherer als auch die Patientenbeteiligung gesetzlich geregelt, respektive limitiert. Erhöhungen der durch den Kanton festgelegten Normkosten gehen demnach stets zu Lasten des Restkostenfinanzierers, im Kanton Aargau also den Gemeinden. Die Kosten für die Mittel und Gegenstände sind jedoch bis und mit 2018 noch in die Prämienkalkulation der Versicherer mit eingeflossen. "Die Bevölkerung zahlt doppelt: als Prämien- und als Steuerzahler. Das ist unhaltbar. Es muss eine Bereinigung erfolgen", sagt Grossrätin und Präsidentin der GAV, Renate Gautschy. "Die nationale Politik und die Krankenkassen sind nach vielen Jahren der Diskussionen unmittelbar gefordert zu handeln und zwar in allen Bereichen, damit wir die Gesundheitskosten endlich auf Kurs bekommen."

Das DGS hat zu diesem Missstand ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dieses kommt gemäss Barbara Hürlimann, Leiterin Abteilung Gesundheit des DGS, zum Schluss, dass das Vertrauensinteresse der an der Pflegefinanzierung Beteiligten klar höher zu gewichten ist als die konsequente Rechtsdurchsetzung. Mit der Beibehaltung der Praxis der separaten Verrechnung bis und mit dem laufenden Jahr, könne zudem auf möglichst einfachem Weg die Doppelbelastung des Prämien- und Steuerzahlers vermieden werden. Folgerichtig müssten die Krankenversicherer die Kosten bis und mit 2018 übernehmen.

Kanton, Gemeinden und Verbände schlagen gemeinsames Vorgehen vor

Das DGS plant gemeinsam mit der GAV und den Leistungserbringer-Verbänden die nächsten Schritte, damit die MiGeL-Kosten 2018 den Krankenversicherern auferlegt werden können. Sollten diese die Zahlungen verweigern, so würde der Rechtsweg beschritten. Als Überbrückungs- und Liquiditätssicherungsmassnahme empfehlen das DGS sowie die GAV den Gemeinden, die Kosten für Mittel und Gegenstände für 2018 im Sinne einer Vorleistung zu übernehmen. Für 2019 ist vorgesehen, die Normkosten um die Kosten für Mittel und Gegenstände zu erhöhen. Gesundheitsdirektorin Franziska Roth ist jedoch dezidiert der Ansicht, dass die seit 2011 unverändert geltenden Ansätze der Krankenversicherer in der Krankenpflege-Leistungsverordnung ab 2019 mindestens um die aufgelaufene Teuerung sowie die Kosten für Mittel und Gegenstände erhöht werden müssen: "Nur so können die stetig steigenden zusätzlichen Lasten, allen voran die Personalkosten, unter den Pflegefinanzierern fair verteilt werden."

Rückforderungen bestritten

Dass die Umsetzung des Bundesgerichtsurteils immer groteskere Züge annimmt, zeigt sich an folgendem Beispiel: Während der Verband curafutura sinnvollerweise auf eine Rückforderung für die Jahre 2015 bis 2017 verzichtet, hat tarifsuisse AG im Namen eines Teils seiner Mitglieder mit den ersten Rückforderungen für die Jahre 2015 bis 2017 begonnen. Nebst Chaos, Ungleichbehandlung und einem immensen Mehraufwand gilt nämlich auch für die Jahre 2015 bis 2017: Die Kosten für die Mittel und Gegenstände sind bereits in die Prämienkalkulationen eingeflossen. Das Departement Gesundheit und Soziales empfiehlt den Leistungserbringern, wie die VAKA auch, nicht auf Rückforderungen der Krankenversicherer einzutreten. Der Kanton Aargau setzt sich dafür ein, dass die knappen Ressourcen im Gesundheitswesen vollumfänglich den Patienten und nicht den Bilanzen der Krankenversicherer zu Gute kommen.

Gemeinsame Forderungen

  • Fortführen der bisherigen Praxis, d.h. Kostenübernahme der Krankenkassen für Mittel und Gegenstände für das laufende Jahr 2018
  • Krankenkassen verzichten auf eine Rückabwicklung
  • Per 2019: Anpassung der seit 2011 unveränderten KLV-Tarife um die Kosten für Mittel und Gegenstände und die aufgelaufene Teuerung.
  • Departement Gesundheit und Soziales