Bahnvorlage des Bundes wird zukünftiger öV-Nachfrage nicht gerecht
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Stellungnahme des Kantons Aargau zum Ausbauschritt der Bahninfrastruktur 2030/35
Bis ins Jahr 2030 wird die Nachfrage beim öffentlichen Verkehr im Kanton Aargau massiv zunehmen. Der Bund schlägt in der Bahninfrastrukturvorlage STEP 2030/35 im Mittelland lediglich einzelne Angebotsausbauten und Fahrplanänderungen vor. Diese lehnt der Regierungsrat in der vorgeschlagenen Form entschieden ab. Das Angebot ist im Vergleich zum Ausbauschritt 2025 ein Rückschritt und kann die künftige Nachfrage nicht bewältigen. Nur mit zusätzlichen Angebots- und Infrastrukturausbauten kann der Vorschlag zu STEP 2030/35 als Übergangslösung bis zur Realisierung einer neuen Direktverbindung Aarau–Zürich akzeptiert werden.
Der Bundesrat schlägt im Rahmen seiner Vernehmlassungsvorlage einen Ausbauschritt der Bahninfrastruktur 2030/35 im Umfang von 7 oder 11,5 Milliarden Franken vor und hat die Kantonsregierungen Ende September 2017 zur Vernehmlassung eingeladen. Der Kanton Aargau ist grundsätzlich mit den übergeordneten Zielen und der Stossrichtung des Ausbauschritts 2030/35 einverstanden. Der Entscheid zugunsten der Variante 11,5 Milliarden Franken wird begrüsst.
Stärkere Kosten-Nutzen-Betrachtung
Bis ins Jahr 2030 soll die Nachfrage beim öffentlichen Verkehr im Kanton Aargau um rund zwei Drittel zunehmen. Obwohl dadurch ein grosser Kapazitätsengpass auf der wichtigen Ost-West-Achse besteht, verzichtet der Bund allein aufgrund der hohen Kosten von zirka 7 Milliarden Franken auf eine Neubaustrecke zwischen Aarau und Zürich im Ausbauschritt 2030/35. Dies obwohl der Bund dieses Projekt gesamtschweizerisch als eines der Besten bewertet hat.
Auch zukünftiger Fahrplan muss optimale Verbindungen und Anschlüsse bieten
Der Bund schlägt nun in der Vorlage vor, auch ohne Neubaustrecke die Kapazität des Bahnnetzes mit Anpassungen im Fahrplan (der sogenannten Systematisierung, siehe Infobox) zu steigern. Aus Aargauer Sicht kann das vorgeschlagene Angebot die Nachfrage jedoch nicht bewältigen und es bietet ein schlechteres Angebot als der Fahrplan mit dem Ausbauschritt 2025.
Der Regierungsrat lehnt die Anpassungen im Mittelland in der vorgeschlagenen Form entschieden ab, weil der Kanton so die gesamten Nachteile mit wegfallenden Direktverbindungen, schlechteren Anschlüssen und überlasteten Zügen trägt. Er fordert insbesondere den Erhalt der bestehenden Direktverbindungen von Baden nach Bern, aus dem Freiamt nach Zürich sowie von Zofingen nach Aarau und Brugg (Einführung ab 2019).
Der Regierungsrat kann die Systematisierung als Übergangslösung bis zur Realisierung der Neubaustrecke Aarau–Zürich nur akzeptieren, wenn zusätzliche Massnahmen innerhalb des Kostenrahmens des STEP Ausbauschritts 2030/35 umgesetzt werden:
- 15-Minuten-Takt Aarau–Lenzburg–Zürich im Fernverkehr
- 15-Minuten-Takt Baden–Aarau–Olten im Fernverkehr
- Halbstündlicher InterCity-Halt in Aarau mit Durchbindung in die West- und Ostschweiz
- Mindestens halbstündliche Direktverbindung Aarau–Olten–Zofingen und Freiamt–Aarau
- 15-Minuten-Takt der S-Bahn zwischen Lenzburg und Wohlen
- Aufheben der Gleiskreuzung von SBB/WSB in Oberentfelden und Sanierung diverser Bahnübergänge entlang der Nationalbahn
Ausserdem fordert der Regierungsrat, dass der Viertelstundentakt der S-Bahn im Fricktal und im Unteren Aaretal in den STEP Ausbauschritt 2030/35 aufgenommen wird.
Leistungsfähige Bahnhöfe, abgestimmt auf die Siedlungsentwicklung
Der Regierungsrat begrüsst den geplanten Ausbau des Bahnhofs Lenzburg sehr und fordert, dass der Bahnhof als attraktiver Umsteigepunkt unverzüglich und mit zwei leistungsfähigen Personenunterführungen gebaut wird. Zusätzlich sollen die neuen Haltestellen Oftringen Zentrum, Wettingen Tägerhard und Hunzenschwil Schoren in den Ausbauschritt aufgenommen werden. Sie sind zwingend notwendig, damit die vom starken Bevölkerungswachstum ausgelöste Siedlungsentwicklung auf Standorte konzentriert wird, die mit der Bahn gut erschlossen sind.
Zuverlässiger Bahnbetrieb stark gefährdet
Ohne Neubaustrecke zwischen Aarau und Zürich wird das Netz bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet. Der Bund muss daher innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens alle Massnahmen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit des Bahnbetriebs aufnehmen. Zusätzlich muss der Bund aufzeigen, wie eine Neubaustrecke zwischen Aarau und Zürich im Rahmen der künftigen Ausbauschritte finanziert und realisiert werden kann. Nur mit einer solchen Neubaustrecke kann langfristig ein zuverlässiges, pünktliches Bahnangebot im Mittelland garantiert und alle gewünschten, umsteigefreien Verbindungen angeboten werden.
Weiteres Vorgehen
Die Vernehmlassung dauert bis am 15. Januar 2018, anschliessend wird das BAV die eingegangenen Stellungnahmen auswerten. Bis Ende 2018 wird der Bundesrat die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschieden und ab 2019 wird der Ausbauschritt 2030/35 im Eidgenössischen Parlament beraten. Der Beschluss untersteht dem fakultativen Referendum.
Systematisierung Mittelland
Das heutige Bahnnetz im Mittelland basiert grundsätzlich auf Stundentakten. Zwar ergibt sich auf diversen Abschnitten durch die Überlagerung von zwei stündlichen Zügen ein Halbstundentakt, aber einzelne Halte oder Direktverbindungen werden nur stündlich angeboten. Mit der Systematisierung sollen alle Züge grundsätzlich halbstündlich und immer an die gleichen Endpunkte verkehren. Dadurch können wesentlich mehr Züge auf einer Strecke verkehren, man muss jedoch auf gewissen Verbindungen zusätzlich umsteigen. Bei einer Systematisierung müssen die Umsteigeknoten gut funktionieren, damit die Reisewege nicht unterbrochen werden und sich die Reisezeiten nicht verlängern.