Seit 1996 gibt das Naturschutzprogramm Wald die Ziele für den Waldnaturschutz im Kanton Aargau vor. Nach vier erfolgreichen Etappen dieses Programms läuft aktuell und bis 2025 die fünfte, welche Ziele in verschiedenen Bereichen verfolgt: Aufwertung von Waldrändern, Spezialreservate, Eichenwaldreservate sowie Altholzinseln und Naturwaldreservate. Letztere bilden einen wichtigen Eckpfeiler des Naturschutzprogramms Wald. Bei Naturwaldreservaten handelt es sich um grossflächige Waldgebiete, in denen sich der Wald frei entwickeln kann. Auf die Holznutzung wird ebenso verzichtet wie auf Eingriffe zur Waldpflege. Der Kanton entschädigt die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer für den Nutzungsverzicht zugunsten der Natur. In Naturwaldreservaten werden zudem keine Massnahmen zur Begünstigung bestimmter Arten ausgeführt, sondern man gibt den natürlichen Prozessen von Altern, Zerfall und Erneuerung Vorrang. Davon profitieren insbesondere Insekten und Pilze, aber auch Spechte und Fledermäuse. Zusammen mit einer naturnahen Waldbewirtschaftung bilden solche Waldreservate eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erhaltung der Biodiversität im Wald.
Das älteste Naturwaldreservat im Kanton Aargau ist das Reservat Lägern in Wettingen – dieses Jahr feiert es bereits sein 25-Jahr-Jubiläum, unter anderem mit einer Exkursion für die interessierte Bevölkerung am 16. September 2023 (Anmeldeschluss 4. September 2023, siehe Box unten). Die steilen, bewaldeten Flanken am Wettinger Hausberg wurden bereits 1998 als Naturwaldreservat ausgeschieden. Licht- und wärmeliebende Arten fühlen sich auf den südexponierten Felsen der Lägern besonders wohl. Da auf dem kargen Felsgestein des Lägerngrats die Trockenheit gross und der Humusanteil nur gering ist, wachsen bei diesen Bedingungen vor allem spezialisierte Baumarten wie Flaumeichen und Linden. Diese stehen lückig auf der Südseite des Grats und lassen viel Licht auf den felsigen Boden. In dieser Wärme fühlen sich Feuerlilien und Eidechsen wohl. Die Linden und Flaumeichen werden von den am Nordhang wachsenden Buchen um ungefähr zehn Meter überragt. Am Schattenhang ist das Wasser- und Nährstoffangebot deutlich höher als auf dem Grat.
Naturwaldreservat Lägern: Blick zurück…
Der Initiator des Naturwaldreservats Lägern ist Philipp Vock, Waldpädagoge und ehemaliger Wettinger Förster. Er spricht von einem "Juwel am Wettinger Hausberg" und erinnert sich: "Ich durfte in den 1980-iger Jahren beim Erarbeiten der Nutzungsplanung Kulturland als Revierförster in der Kulturlandkommission Wettingen mitarbeiten. Durch meine Beteiligung an der Erarbeitung des Landschaftsinventars wurden mir viele wertvolle Naturobjekte im Wald und Flur noch viel bewusster. Das Waldgebiet 'Isloch' wurde im Kulturlandplan 1990 als besonderer Waldstandort ausgeschieden." Als der Kanton 1996 das Naturschutzprogramm Wald startete, war Philipp Vock nach dem Besuch eines Kurses zum Thema "Ökologische Werte von Totholz" sofort klar: Das Waldgebiet im Gebiet "Isloch" war prädestiniert für ein Naturwaldreservat, es folgte sein Antrag an die Ortsbürgerkommission. Bereits am 27. November 1998, rund drei Monate später, wurde die Vereinbarung über das Naturwaldreservat Lägern, Teil Isloch, unterzeichnet.
"Ich stehe immer noch voll und ganz hinter dieser Vereinbarung. Deshalb engagiere ich mich momentan stark bei den Vorbereitungen und der Durchführung der Jubiläumsexkursion im Naturwaldreservat Lägern", erklärt Vock. "Während der letzten 25 Jahre informierten wir immer wieder über das Naturwaldreservat. Durch Führungen brachten wir der Bevölkerung und den Behörden die Bedeutung des Lebensraums für Mensch und Natur näher. 25 Jahre Nutzungsverzicht hat im Waldgebiet 'Isloch' sichtbare Spuren bei Fauna und Flora hinterlassen."
Darauf deuten auch im Jahr 2018 gewonnene Daten zu vorkommenden Käfer- und Pilzarten an der Lägern hin. Diese wurden im Rahmen einer Erfolgskontrolle der Aargauer Naturwaldreservate erhoben. Der Schlussbericht des Projekts wird Ende Jahr vorliegen. Bei den Aufnahmen konnten an der Lägern mehrere Arten erstmals überhaupt im Kanton Aargau nachgewiesen werden. So zum Beispiel der Lindenbock (Oplosia cinera), der sich in der Schweiz auf der Roten Liste der gefährdeten Bockkäferarten befindet.
… und in die Zukunft
Auch der amtierende Wettinger Revierförster Moritz Fischer ist begeistert vom Reservat: "Die Lägern prägt das Landschaftsbild in Wettingen und somit auch die Wälder. Der Wald südlich des Grats ist unfassbar spannendend mit seinem Artenreichtum." Es sei faszinierend zu sehen, mit welchen Lebensbedingungen die Arten zurechtkommen müssen, um am Lägerngrat zu überleben. "Der hohe Totholzanteil hat nicht nur für die Natur viele Vorteile, auch als Förster profitiere ich von den Nützlingen, die sich an solchen Orten entwickeln können. Ökologische Inseln mit einer so grossen Naturnähe sind in der Schweiz selten und deshalb schützenswert", so Fischer, der mit Freude in die Zukunft schaut: "In 25 Jahren steht die Verlängerung der Verträge an. Ich freue mich, das Waldreservat an der Lägern in dieser Zeit bei der Entwicklung beobachten zu können. In den kommenden Jahren ist mit einer weiteren Anreicherung von abgestorbenen Bäumen und somit mit einer Steigerung der Artenvielfalt zu rechnen."