INV-UNS929L Angestelltenwohnhaus Stroppel, 1910 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-UNS929L
Signatur Archivplan:UNS929L
Titel:Angestelltenwohnhaus Stroppel
Bezirk:Baden
Gemeinde:Untersiggenthal
Ortsteil / Weiler / Flurname:Stroppel
Adresse:Stroppelstrasse 7
Versicherungs-Nr.:267
Parzellen-Nr.:2687
Koordinate E:2660214
Koordinate N:1261881
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2660214&y=1261881

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1910
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Bauten der Nähfadenfabrik Stroppel (Bauinventarobjekte UNS929A-K, M)
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mehrfamilienhaus

Dokumentation

Würdigung:Blockartiges, dreigeschossiges Mehrfamilienhaus unter historisierendem, leicht geknicktem Walmdach von 1909-10, das sich seit einem Umbau von 2011-12 äusserlich purifiziert und durch Balkone sowie Dachaufbauten ergänzt zeigt, im Innern jedoch noch weitgehend die ursprüngliche Raumstruktur und Ausstattung bewahrt hat. Die axialsymmetrisch gestalteten Fassaden verweisen auf jeweils zwei spiegelbildlich angelegte Wohnungen pro Etage. Das ursprünglich für sechs Familien konzipierte Arbeiterwohnhaus gehört zusammen mit der Direktorenvilla und dem sogenannten "Mädchenheim" (Bauinventarobjekte UNS929K und M) zur jüngeren Generation von Stroppel-Wohnbauten, die während der ersten Ausbauphase um 1910 als Ergänzung zu den schon bestehenden gründungszeitlichen Arbeiterhäusern (Bauinventarobjekte UNS929L, ehemaliges Bauinventarobjekt UNS929N) errichtet wurden. Als Bestandteil der hierarchisch angelegten Fabriksiedlung kommt dem Bau nach wie vor eine lokal- und sozialgeschichtliche Bedeutung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Fabrikanlage allgemein:
1869 nahm der Zürcher Unternehmer Emil Escher-Hotz in der von ihm im Stroppel neu erstellten mechanischen Nähfadenfabrik die Produktion auf [1]. Gemäss Brandkataster von 1875 umfasste das Fabrikareal damals folgende Gebäude: "1. Färberei- und Bleichereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929D], einstöckig, von Stein erbaut mit Dampfkamin und zwei gewölbten Räumen im Erdgeschoss; 2. Zwirnereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929A], dreistöckig, von Stein erbaut; 3. Poliergebäude [Bauinventarobjekt UNS929C], einstöckig, zwischen dem 1. und 2. Gebäude eingebaut, mit Blech- und Glasdach; 4. Turbinenhaus [Vorgängerbau des heutigen Kraftwerks von 1908/1944, Bauinventarobjekt UNS929B], einstöckig, von Stein, Riegel und Holz; 5. Sägegebäude [Bauinventarobjekt UNS929G], an das Werkstattgebäude angebaut, einstöckig, von Stein, Holz und Riegel, mit Anbau, 1 Vertikalsäge, 2 Zirkularsägen, 1 Bandsäge nebst Getriebe; 6. Werkstattgebäude [Bauinventarobjekt UNS929H], zweistöckig; 7. Ökonomiegebäude mit angebauter Stallung [Bauinventarobjekt UNS929I] [2]." Zur Anlage gehörten ausserdem ein unmittelbar neben dem Ökonomiegebäude stehendes zweistöckiges Wohnhaus mit drei Wohnungen (sog. "Meisterhaus", Bauinventarobjekt UNS929J) und im Roost zwei zweistöckige Arbeiterwohnhäuser (beide abgebrochen). Um das Einzugsgebiet für auswärts wohnende Arbeitskräfte auch auf die andere Uferseite erweitern zu können, unterhielt Escher-Hotz 1869-72 eine Fähre und 1872-1881 einen Fussgängersteg über die Limmat [3]. Mit 259 Arbeiterinnen und Arbeitern erreichte die Fabrik 1883 einen Spitzenwert [4]. 1885 beschäftigte sie noch 225 Personen – zu drei Viertel Frauen und Mädchen – und war damit die achtgrösste Fabrik im Kanton [5].
1906 wurde die Firma von den Erben Eschers an die weltweit tätige schottische Unternehmergruppe für Nähfaden und Handarbeitsgarne, J. & P. Coats Ltd. in Glasgow verkauft und 1907 in die "Zwirnerei Stroppel AG" umgewandelt. Es folgten ein Umbau und eine Modernisierung der Anlagen, wobei das Turbinenhaus zu einem Kraftwerk (Bauinventarobjekt UNS929B) umgebaut und die Fabrik elektrifiziert wurden [6]. Neu hinzu kamen in dieser zweiten Bauetappe zwischen 1907 und 1911 flussaufwärts die neue Färberei (Bauinventarobjekt UNS929E), die Mitte 20. Jh. ein Sheddach erhielt, das Kesselhaus mit Hochkamin (Bauinventarobjekt UNS929F) und das Wasseraufbereitungsgebäude am südöstlichen Ende des Areals (nicht Bestandteil des Bauinventars). Ausserdem wurden in nordwestlicher Verlängerung der Anlage eine Direktorenvilla, ein Angestelltenwohnhaus (hier beschrieben) und ein Arbeiterinnenheim mit Waschhaus (Bauinventarobjekte UNS929K-M) errichtet. Nach einem Brand im Jahr 1932 musste das Maschinenhaus des Kraftwerks neu gebaut werden [7].
Im Laufe der 1980er Jahre stellte Coats Stroppel AG die Produktion ein (Aufgabe der Zwirnerei 1985) und fokussierte sich auf den Handel mit Merceriewaren, was mit einer Stilllegung auch des Wasserkraftwerks einherging [8]. 1995 erwarb die Proma Energie AG das Kraftwerk und die historische Fabrikanlage. Nach einer sanften Nachrüstung und Automatisierung setzte sie das Kleinkraftwerk wieder in Betrieb. Seit 2011 wird es von der Axpo betrieben, welche die verbliebenen alten Maschinengruppen (Turbinen und Generatoren) auswechselte. Die anderen technischen Einrichtungen blieben teilweise museal vor Ort erhalten. Im Industrieareal entwickelte sich währenddessen ein Gewerbezentrum. Heute sind in den Gebäuden der ehemaligen Nähfadenfabrik verschiedene Nutzungen vereinigt, vom Kleingewerbe und Büroarbeitsplatz über Kunstateliers und Kulturbetriebe bis zu Wohnungen.

Angestelltenwohnhaus:
Das ehemals für sechs Familien konzipierte Arbeiterwohnhaus wurde 1909, also kurz nach der Übernahme der Nähfadenfabrik durch J. & P. Coats Ltd. in Glasgow, nach der Umwandlung in die Aktiengesellschaft Zwirnerei Stroppel, errichtet [9]. 1966 wurden im Haus die Küchen und Bäder erneuert und eine Zentralheizung eingebaut. 2011-12 erfolgte ein umfassender Umbau, der im Wesentlichen eine energetische Sanierung der Aussenhülle bei gleichzeitig schonender Instandstellung der inneren Bausubstanz bzw. Ausstattung beinhaltete. Dabei gingen aufgrund der Wärmedämmung Bauteile wie Fenstergewände und Erker verloren. Die Aufschieblinge der Dachkonstruktion, die für den Dachüberstand ausschlaggebend sind, wurden in Anlehnung an die ursprünglichen Proportionen erneuert. Abgesehen vom Ausbau des Dachgeschosses, der sich auf drei Seiten durch Quergiebelaufbauten äussert, blieben die Volumetrie des Gebäudes und die Verteilung und Dimensionierung der Fenster- und Türöffnungen erhalten. Im Innern wurden seit 2003 sukzessive die alten Riemenböden unter den später verlegten Bodenbelägen hervorgeholt, geschliffen und geölt. Die beiden Wohnungen im Erdgeschoss wurden 2007 durch einen Wanddurchbruch zu einer grossen Wohnung vereint. Insgesamt befinden sich noch immer sechs Wohnungen im Haus. Die meisten Nasszellen wurden unterdessen erneuert [10].
Beschreibung:Das am Hangfuss zwischen „Mädchenheim“ und Direktorenvilla (Bauinventarobjekte UNS929K und M) stehende Arbeiterwohnhaus wird in einer Kurve von der Zufahrtsstrasse umfahren, die von der Hangkante zum Areal der ehemaligen Nähfadenfabrik Stroppel führt. Der annähernd parallel zum Limmatkanal gestellte, kubisch geschlossene Bau ragt dreigeschossig über einem langrechteckigen Keller auf und trägt ein leicht geknicktes, mit neuen Falzziegeln eingedecktes Walmdach. Die Fassaden sind axialsymmetrisch gegliedert, wobei die nach Südwesten zur Limmat hin gerichtete Längsseite mit vier Achsen von Fenstern bzw. Balkontüren doppelter Breite – ehemaligen Zwillingslichtern – als Vorderfront ausgezeichnet ist. Hier befanden sich ursprünglich in den äusseren beiden Achsen der dritten Wohnetage zwei polygonale Erker, welche die ansonsten eher nüchterne Fassade auflockerten. Vor den beiden inneren Achsen ist heute bis zum Dachgeschoss hinauf ein Balkonvorbau hochgezogen. Fenster gleicher Breite zeigt auch die zentral angelegte Erschliessungsachse auf der Rückseite des Hauses, wo die Fenster früher ebenfalls gekuppelt waren. Die übrigen vier Achsen sind mit Einzelfenstern von hochrechteckigem Format besetzt, ebenso die jeweils zwei Achsen der Schmalseiten. Die Fenster des Treppenhauses werden beidseitig von zusätzlich eingefügten, kleinen quadratischen Fensterchen flankiert. Das Dach ist seit dem Umbau auf der Vorderseite mit einem breiten Quergiebel mit Ausgang zum Balkon ausgestattet und öffnet sich auf beiden Schmalseiten mit einer Lukarne. Ansonsten wird die Wohnung im Dachgeschoss über kleine liegende Fenster belichtet.
Durch den zentralen Eingang auf der rückwärtigen Längsseite des Gebäudes gelangt man in das Treppenhaus, das noch weitgehend die originale Bausubstanz bewahrt. Auf dem ersten Zwischenboden setzt das hölzerne Treppenhaus an mit gedrechselten Staketen und einem schlichtem Antrittspfosten mit volutenartig abschliessendem Handlauf. Die Stufen sind unter einem jüngeren Belag verborgen, während die Wandbespannung aus Rupfen bauzeitlich sein dürfte. Auf den Zwischenböden sind jeweils nach beiden Seiten Hauseingänge angelegt, wobei auf der untersten Ebene, wo die beiden Wohnungen zusammengelegt sind, nur der südliche Eingang benutzt wird. Die noch aus der Bauzeit stammenden Wohnungstüren besitzen Oblichter mit teils noch geätzten Gläsern sowie Füllungstüren, deren obere Felder ebenfalls verglast sind. Sie öffnen sich jeweils auf einen Stichgang, um den herum rückseitig die Nasszellen und seitlich sowie gegen vorne die Wohnräume angeordnet sind. An der räumlichen Struktur hat sich bis heute kaum etwas verändert. Vorhanden sind auch noch sämtliche Zimmertüren samt Rahmen und Beschlägen und in vielen Räumen die originalen Riemenböden.
Das Gebäude besitzt einen Zwilling in Holderbank (Bauinventarobjekt HOL908), der 1918 als Arbeiterwohnhaus für die Zementfabrik erstellt wurde. Es dürfte somit aus dem Repertoire eines Bauunternehmens zu stammen, das diesen Mehrfamilienhaustyp speziell für Fabriksiedlungen entworfen und verbreitet hat.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung BLN, BLN 1019 Wasserschloss beim Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat (Schutzziel 3.8 Die kulturhistorischen Zeugen der Wasserkraftnutzung und der frühen industriellen Entwicklung erhalten).
Anmerkungen:[1] Hoegger 1995, S. 175-176.
[2] Boner 1983, S. 188. Die abweichenden Bezeichnungen der Gebäude auf der Schautafel des Industriekulturpfads 1996 beziehen sich auf die Zeit nach dem Umbau und der Modernisierung der Bauten 1907-09.
[3] Lang/Steigmeier 1995, S. 23.
[4] Meier/Steigmeier 2008, S. 130.
[5] Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss 1996, S. 21.
[6] Lang/Steigmeier 1995, S. 5-6; Hoegger 1995, S. 175.
[7] Meier/Steigmeier 2008, S. 132 (Bildlegende Abb. 10)
[8] Hoegger 1995, S. 175-176; Lang/Steigmeier 1995, S. 6-7; AZ vom 22. Juni 2012, S. 31; Meier/Steigmeier 2008, S. 131.
[9] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
[10] Gemäss freundlicher Mitteilung Christoph Flory, Eigentümer.
Literatur:- Georg Boner, Die Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, Baden 1983, S. 186-190 (zur Nähfadenfabrik allgemein).
- Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 7, Basel 1995, S. 175-177 (Wohnbauten S. 177).
- Der Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss im Raum Turgi-Untersiggenthal-Vogelsang (Dokumentation 5), Baden 1996, S. 19-21, v.a. S. 21.
- Norbert Lang/Andreas Steigmeier, Fabrikanlage und Kraftwerk Stroppel (Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss, Dokumentation 2), Baden 1995, v.a. S. 21-24.
- Bruno Meier/Andreas Steigmeier, Untersiggenthal. Eine Gemeinde im Umbruch, Untersiggenthal 2008, S. 130-133 (zur Nähfadenfabrik allgemein).
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 135.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=46212
 

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