INV-LEN912 Mittlere Mühle, 19. Jh. (Dossier (Bauinventar))

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Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LEN912
Signatur Archivplan:LEN912
Titel:Mittlere Mühle
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Mittlere Mühle
Hist. Name Objekt:Angenmühle
Adresse:Bachstrasse 4, 6
Versicherungs-Nr.:207, 208
Parzellen-Nr.:495
Koordinate E:2655702
Koordinate N:1248811

Chronologie

Entstehungszeitraum:19th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle

Dokumentation

Würdigung:Aus mehreren Gebäuden bestehende Mühlenanlage am Aabach, die im 16. Jahrhundert erstmals erwähnt wird und ihr heutiges Erscheinungsbild im 19. Jahrhundert erhalten hat. Das 1872-1880 umgebaute Hauptgebäude präsentiert sich als hochragender viergeschossiger Mauerbau, der von vier auf vier Achsen von Segmentbogenfenstern regelmässig gegliedert wird. Westlich schliesst, über einen Zwischenbau samt Radhaus verbunden, ein biedermeierliches Neben- und Wohngebäude von 1855 an. In der äusseren Erscheinung ist die Anlage im wesentlichen intakt erhalten, während das Hauptgebäude im Inneren 1985-87 beim Umbau in ein Wohn- und Geschäftshaus ausgekernt wurde. Stärker verändert sind die nordseitig anschliessenden Nebenbauten (nicht Bestandteil des Schutzumfangs). Als Zeugnis der Wasserkraftnutzung am Aabach kommt der in der Senke des Bachlaufs prominent in Erscheinung tretenden Mühlenanlage zusammen mit den unmittelbar benachbarten Bleichen (Bauinventarobjekte LEN910/957) und der Wehranlage (Bauinventarobjekt LEN963) ein erheblicher gewerbegeschichtlicher Zeugenwert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die „Mittlere“ oder „Angenmühle“ ist schriftlich erstmals 1523 zu fassen. 1537 wird sie als Lehen der Herren von Hallwil erwähnt, bevor sie in der zweiten Hälfte des 16. Jh. an die Waldner von Freudenstein und schliesslich 1594 an die Stadt Aarau gelangte. Auf der Mühle sassen sukzessive mehrere namentlich bekannte Müller [1].
1818 verkaufte Rudolf Kull die Mühle an Jakob Furter [2]. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 wird das Hauptgebäude (Vers.-Nr. 207) als „zweystökiges [nach heutiger Zählung dreistöckiges] Wohnhaus mit Mühle von Stein unter einem Ziegeldach“, im Eigentum des Rudolf Suter, beschrieben. Baulich ist das damalige Gebäude nicht mehr präzise zu fassen. Auf einem Aquarell von 1827 erscheint es mit einem mächtigen Halbwalmdach. Einzelne Mauerzüge sind möglicherweise im aufgehenden Mauerwerk des heutigen Hauptgebäudes aus dem 19. Jh. erhalten [3].
Ein Vorgängerbau des Nebengebäudes (Vers.-Nr. 208) befand sich laut Brandkataster von 1829 im Unterschied zur Mühle selbst noch im Eigentum der Gebrüder Hünerwadel. Von diesen gelangte die Liegenschaft 1845 an Rudolf Peter, Mittlermüller, 1849 wie die Mühle selbst an die Brüder Jakob, Samuel sowie Gottlieb Peter. Es handelte sich laut Brandkatastereintrag von 1850 um ein „Glätte-Gebäude mit Wasserwerk“, das funktional zur Textilfabrik gehört haben muss und nach der Darstellung auf der Michaeliskarte um 1840 (vgl. Bilddokumentation) noch nicht mit der Mühle zusammengebaut war. 1855 wurde es durch die Gebrüder Peter abgebrochen und durch den bestehenden Neubau ersetzt, der als „zweistökiges [nach heutiger Zählung dreistöckiges] Wohnhaus mit Magazin & Laube von Stein & Holz mit Ziegeldach“ in den Brandkataster eingetragen wurde und fortan eigentumsrechtlich wie auch funktional zur Mühle gehörte.
1858 wurde das Wasserrecht der Mittleren Mühle vom Regierungsrat als ehehaft anerkannt und gleichzeitig ein fünftes Wasserrad bewilligt [4]. 1872 und 1876-80 erfolgten sehr umfangreiche Ausbauten der Gebäude wie auch der Mühleeinrichtung. Der Hauptbau der Mühle erhielt dabei wohl im wesentlichen sein heutiges Erscheinungsbild; das Innere war gemäss Brandkatastereintrag von 1880 mit damals modernen „Eisenbalkengewölben“ ausgestattet. Die im gleichen Eintrag ausführlich beschriebene Mühleeinrichtung dürfte technisch auf dem neuesten Stand gewesen sein. 1882 gingen die Liegenschaften, wahrscheinlich weil man sich mit den Investitionen verrechnet hatte, an die Aargauische Kreditanstalt. 1887 wurden sie an Müller Adolf Remund weiterverkauft, der 1888 weitere Verbesserungen der Mühleeinrichtung vornahm und unter dessen Nachkommen die Mühle, seit 1920 als Aktiengesellschaft, bis heute verblieb. Kurz nach 1900 wurde das Dach des Hauptbaus aufgesteilt [4]. Wohl um 1930/50 wurde gemäss seinen Bauformen der nordseitig an den Hauptbau stossende Magazinbau erneuert.
Zuletzt wurde das Wasserwerk der Mittleren Mühle (Nr. 524) durch eine Francis-Doppelturbine genutzt, bis man diese um 1980/90 stilllegte [5]. 1985-87 erfolgte ein durchgreifender Umbau zu einem Wohn- und Geschäftshaus, wobei das Hauptgebäude der Mühle sowie der nordseitig daran anstossende Magazinbau mit Ausnahme der alten Dachkonstruktion ausgekernt, weitere Nebenbauten an der Nordseite hingegen abgebrochen und durch Neubauten ersetzt wurden. Der Wohnhausanbau von 1855 (Vers.-Nr. 208) wurde vom Umbau nicht tangiert [6]. 2002 erfolgte eine Renovation.
Beschreibung:Die Mittlere Mühle ist nördlich der alten Bleiche an das gegenüberliegende, stadtseitige Ufer des Aabachs gelagert und tritt trotz ihrer Lage in der Senke des Bachlaufs als Baukomplex aus drei unterschiedlich hohe, mit firstparallelen Satteldächern abgeschlossene Mauerbauten prominent in Erscheinung. Von den beiden nach Süden fluchtenden Gebäudeteilen steht der wuchtige Hauptbau (Vers.-Nr. 207) ganz auf dem Ufer, der Nebenbau (Vers.-Nr. 208) hingegen auf einer ehemaligen Insel. Zwischen den beiden Gebäudeteilen liegt als verbindender Bautrakt über einem heute nicht mehr bestehenden Arm des Aabachs das ehemalige Radhaus. Auf der Nordseite schliesst unmittelbar an den Hauptbau ein ehemaliger Magazinbau an; der nördlichste, niedrigste Trakt mit den zwei firstparallelen Satteldächern ist ein Neubau von 1985-87 (beide ebenfalls Teil von Vers.-Nr. 207, nicht Bestandteil des Schutzumfangs). Über ein Anschlussgleis war die Anlage mit dem damaligen Bahnhof Lenzburg-Stadt verbunden [7].
Das Hauptgebäude, das sein äusseres Erscheinungsbild im wesentlichen wohl 1876-80 erhalten hat, ist ein wuchtiger viergeschossiger Baukörper, der sich über nahezu quadratischem Grundriss erhebt und von vier auf vier streng regelmässig angeordneten Fensterachsen gegliedert wird. Er wird von einem mittelsteilen Satteldach abgeschlossen, das aus der Zeit um 1900 stammt und eine flacher geneigte Konstruktion ersetzte. Die Einzelfenster werden von stichbogigen Fenstergewänden aus Muschelkalk gerahmt. Aus demselben Material bestehen geböschte Strebepfeiler, welche im Sockelgeschoss die stadtseitigen Gebäudekanten markieren. Im übrigen war das Bruchsteinmauerwerk ursprünglich durchgehend verputzt und nur durch ein flaches Gesimsband über dem Sockelgeschoss gegliedert. Heute wird das Erscheinungsbild durch die beim Umbau von 1985-87 freigelegten, unregelmässig geformten Eckquader beunruhigt. Der nordseitig an den Hauptbau anschliessende Magazinbau (nicht Bestandteil des Schutzumfangs) wurde beim Umbau von 1985-87 mit neuen Fenstergewänden und einem grossen Terrassenvorbau stark überformt; zuvor hatte er sich in Formen der Zeit um 1930/50 präsentiert.
Im Inneren war der Hauptbau mit seinen vier Geschossen und den zur Entstehungszeit modernen Kappendecken auf den Einbau einer damals modernen Mühlenanlage ausgelegt [8]. 1985-87 wurden der Hauptbau wie auch der nördlich anstossende Magazinbau vollständig ausgekernt. Erhalten wurde im Hauptbau das aus der Zeit um 1900 stammende Dachgerüst (nach Umbauplänen 1983).
Das firstparallel auf der Westseite gelegene Neben- und Wohngebäude von 1855 ist im Unterschied zum Hauptgebäude nur dreigeschossig. Es präsentiert sich mit seinen straff gegliederten Fassaden von drei auf drei Fensterachsen und den Giebellünetten als charakteristischer biedermeierlicher Mauerbau. Die Einzelfenster werden von rechteckigen Muschelkalkgewänden mit Blockbänken gerahmt. Ein einachsig befensterter, flach gedeckter Zwischenbau mit dem ehemaligen Radhaus verbindet das Nebengebäude mit dem Hauptbau. (Inneres nicht gesehen.)
Erwähnung in anderen Inventaren:- Stadt Lenzburg. Inventar der kommunal schutzwürdigen Gebäude, 1997 (BNO 1997, Anhang 1, Inventarliste), Nr. 11.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Siegrist 1955, S. 313.
[2] Bau- und Besitzergeschichte im 19. und 20. Jh. nach den bei Badertscher 1997, S. 54 ausgewerteten Wasserwerksakten sowie: Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
[3] Daniel Bosshard, Stadtansicht von Westen, 1827, in: Alte Ansichten von Lenzburg 1992, S. 113 (vgl. Bilddokumentation).
[4] Ansicht um 1900 mit flacherer Dachneigung in Liebes altes Lenzburg 1986, S. 26. (vgl. Bilddokumentation).
[5] Badertscher 1997, S. 53, mit technischen Angaben zum Wasserwerk.
[6] Pläne im Baugesuchsarchiv: Baubewilligung 1983, Ausführung 1985-87, Projekt: Realit AG, Oftringen.
[7] Vgl. Übersichtsplan von 1915 aus den Wasserwerksakten, abgeb. auf der Schautafel vor Ort (vgl. Bilddokumentation).
[8] Vgl. in der Grunddisposition etwa den 1882/83 erstellten Neubau der Getreidemühle (heute JOWA) in Möriken-Wildegg (Bauinventarobjekt MWI908).
Literatur:- Schautafel „Mittlere Mühle“, am Gebäude (Zustand 2016).
- Kurt Badertscher, Mühlen am Aabach, in: Lenzburger Neujahrsblätter 1997, S. 24-66, hier 51-53.
- Alte Ansichten von Lenzburg. Gemälde und Grafiken von 1470-1900, hrsg. von der Ortsbürgerkommission der Stadt Lenzburg und der Stiftung pro Museum Burghalde, Aarau 1992, S. 113 (histor. Ansicht).
- Liebes altes Lenzburg, Fotos von anno dazumal, hrsg. von der Ortsbürger-Kommission Lenzburg und der Stiftung Pro Museum Burghalde Lenzburg, Lenzburg 1986, S. 26 (histor. Aufnahme).
- Jean Jacques Siegrist, Lenzburg im Mittelalter und im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Kleinstädte [Geschichte der Stadt Lenzburg, Bd. I], Aarau [1955] (auch erschienen als: Argovia, Bd. 67), S. 313.
- 25 Jahre Diskussionszirkel. Festgabe anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des Diskussionszirkels, [Lenzburg 1951], Abb. 18/19 (histor. Aufnahmen).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Umbau 1985-87.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39378
 

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