INV-UNS929I Ökonomiegebäude Stroppel, 1870 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-UNS929I
Signatur Archivplan:UNS929I
Titel:Ökonomiegebäude Stroppel
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Süden (2015)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Untersiggenthal
Ortsteil / Weiler / Flurname:Stroppel
Adresse:Stroppelstrasse 19
Versicherungs-Nr.:178
Parzellen-Nr.:3104
Koordinate E:2660369
Koordinate N:1261711
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2660369&y=1261711

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1870
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Bauten der Nähfadenfabrik Stroppel (Bauinventarobjekte UNS929A-H, J-M)
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Lagerhaus, Lagerhalle

Dokumentation

Würdigung:Traufbetontes, langgestrecktes Ökonomiegebäude, das in der Gründungszeit um 1870 als vorderster Bau den Eingang zur Fabrikanlage markierte. Es ist davon auszugehen, dass hier die Pferde und Wagen für den Transport der Ware untergebracht waren. Das ehemals auch einen Holzschopf umfassende und später durch einen Stallanbau erweiterte Gebäude zeigte bis zur letzten Instandsetzung und Umnutzung für kulturelle Anlässe, Werkstätten und Büros verschiedene Tenn- und Garagentore sowie Stalleingänge. Das in Fachwerkbauweise errichtete Gebäude erscheint heute in etwas veränderter Ausgestaltung mit einheitlich dimensionierten, verglasten Rechtecköffnungen auf der vorderen Traufseite, eingeschnittenen Giebelgauben sowie Dachterrassen auf den stirnseitigen Anbauten. Im Übrigen weist es weiterhin wesentliche Merkmale der ursprünglichen Gestaltung auf wie z.B. die in freier Interpretation erneuerte, mit Sägeziermotiven belebte Bretterverschalung an Heubühne und Giebelfeldern. Im Innern hat sich die Konstruktion mit mächtigen Firstständern samt Dachgerüst erhalten.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Fabrikanlage allgemein:
Pläne von alt Ammann Johann Baptist Umbricht und "Löwen"-Wirt Josef Leonz Müller aus Untersiggenthal, im Stroppel am rechten Limmatufer eine Baumwollspinnerei und -weberei zu eröffnen, wurden trotz 1864 regierungsrätlich erteilter Konzession für ein Wasserrad nicht umgesetzt. 1867 erwarb der Zürcher Unternehmer Emil Escher-Hotz sowohl Land als auch Radrecht und nahm 1869 in der neu erstellten mechanischen Nähfadenfabrik die Produktion auf [1]. Gemäss Brandkataster von 1875 umfasste das Fabrikareal damals folgende Gebäude: "1. Färberei- und Bleichereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929D], einstöckig, von Stein erbaut mit Dampfkamin und zwei gewölbten Räumen im Erdgeschoss; 2. Zwirnereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929A], dreistöckig, von Stein erbaut; 3. Poliergebäude ([Bauinventarobjekt UNS929C], einstöckig, zwischen dem 1. und 2. Gebäude eingebaut, mit Blech- und Glasdach; 4. Turbinenhaus [Vorgängerbau des heutigen Kraftwerks von 1908/1932, Bauinventarobjekt UNS929B], einstöckig, von Stein, Riegel und Holz; 5. Sägegebäude [Bauinventarobjekt UNS929G], an das Werkstattgebäude angebaut, einstöckig, von Stein, Holz und Riegel, mit Anbau, 1 Vertikalsäge, 2 Zirkularsägen, 1 Bandsäge nebst Getriebe; 6. Werkstattgebäude [Bauinventarobjekt UNS929H], zweistöckig; 7. Ökonomiegebäude mit angebauter Stallung [Bauinventarobjekt UNS929I, hier beschrieben] [2]." Zur Anlage gehörten ausserdem ein unmittelbar neben dem Ökonomiegebäude stehendes zweistöckiges Wohnhaus mit drei Wohnungen (sog. "Meisterhaus", Bauinventarobjekt UNS929J) und im Roost zwei zweistöckige Arbeiterwohnhäuser (beide abgebrochen). Um das Einzugsgebiet für auswärts wohnende Arbeitskräfte auch auf die andere Uferseite erweitern zu können, unterhielt Escher-Hotz 1869-72 eine Fähre und 1872-1881 einen Fussgängersteg über die Limmat [3]. Mit 259 Arbeiterinnen und Arbeitern erreichte die Fabrik 1883 einen Spitzenwert [4]. 1885 beschäftigte sie noch 225 Personen – zu drei Viertel Frauen und Mädchen – und war damit die achtgrösste Fabrik im Kanton [5].
1906 wurde die Firma von den Erben Eschers an die weltweit tätige schottische Unternehmergruppe für Nähfaden und Handarbeitsgarne, J. & P. Coats Ltd. in Glasgow verkauft und 1907 in die "Zwirnerei Stroppel AG" umgewandelt. Es folgten ein Umbau und eine Modernisierung der Anlagen, wobei das Turbinenhaus zu einem Kraftwerk (Bauinventarobjekt UNS929B) umgebaut und die Fabrik elektrifiziert wurden [6]. Neu hinzu kamen in dieser zweiten Bauetappe zwischen 1907 und 1911 flussaufwärts die neue Färberei (Bauinventarobjekt UNS929E), die Mitte 20. Jh. ein Sheddach erhielt, das Kesselhaus mit Hochkamin (Bauinventarobjekt UNS929F) und das Wasseraufbereitungsgebäude am südöstlichen Ende des Areals (nicht Bestandteil des Bauinventars). Ausserdem wurden in nordwestlicher Verlängerung der Anlage eine Direktorenvilla, ein Angestelltenwohnhaus und ein Arbeiterinnenheim mit Waschhaus (Bauinventarobjekte UNS929K-M) errichtet. Nach einem Brand im Jahr 1932 musste das Maschinenhaus des Kraftwerks neu gebaut werden [7].
Im Laufe der 1980er Jahre stellte Coats Stroppel AG die Produktion ein (Aufgabe der Zwirnerei 1985) und fokussierte sich auf den Handel mit Merceriewaren, was mit einer Stilllegung auch des Wasserkraftwerks einherging [8]. 1995 erwarb die Proma Energie AG das Kraftwerk und die historische Fabrikanlage. Nach einer sanften Nachrüstung und Automatisierung setzte sie das Kleinkraftwerk wieder in Betrieb. Seit 2011 wird es von der Axpo betrieben, welche die verbliebenen alten Maschinengruppen (Turbinen und Generatoren) auswechselte. Die anderen technischen Einrichtungen blieben teilweise museal vor Ort erhalten. Im Industrieareal entwickelte sich währenddessen ein Gewerbezentrum. Heute sind in den Gebäuden der ehemaligen Nähfadenfabrik verschiedene Nutzungen vereinigt, vom Kleingewerbe und Büroarbeitsplatz über Kunstateliers und Kulturbetriebe bis zu Wohnungen.

Ökonomiegebäude, später Magazin:
Das um 1870 errichtete Ökonomiegebäude umfasste schon früh Stall- und Schopfanbauten, aus welchen vermutlich die noch bestehenden stirnseitigen Erweiterungen hervorgingen [9]. Der heutige Zustand des Gebäudes geht auf eine 2003 erfolgte Instandstellung zurück, bei der die vorderseitigen Öffnungen zu grossen verglasten Rechtecktoren vereinheitlicht und die dekorative Bretterverschalung in Anlehnung an das Original erneuert wurden. Die Dämmung des Dachs erfolgte unter Aufdoppelung der bauzeitlichen Pfetten-Rafenkonstruktion. Zur Belichtung und Öffnung des Dachraums wurden Giebelgauben aufgesetzt (rückseitig mit Ausgängen auf eine gemeinsame Terrasse) und dieser zu einem Eventlokal für Kulturveranstaltungen und Feste umgestaltet. Das in mehrere Einheiten unterteilte Erdgeschoss wird teilweise von der Eigentümerschaft als Museum und Werkstatt genutzt, teilweise an unterschiedliche Nutzer vermietet.
Beschreibung:Das Gebäude, das aufgrund seiner zeitweisen Nutzung als Magazin von seinen heutigen Eigentümern den Namen "Garnhaus" erhielt, entspricht typologisch einer grossen, langgezogenen Scheune. Es befindet sich am nördlichen Eingang zur Fabrikanlage und erstreckt sich in traufständiger Ausrichtung auf der zum Land hin gelegenen Seite der Zufahrtsstrasse. Der in Fachwerk aufgeführte Bau ist unter einem ausladenden, geraden Satteldach geborgen, das in seiner schwachen Neigung und in Kombination mit der Ausgestaltung des gesamten Giebelbereichs im Schweizer Holzstil Ähnlichkeit mit der Werkstatt und der ehemaligen Schreinerei (Bauinventarobjekte UNS929G-H) zeigt. Das in sieben Joche unterteilte Erdgeschoss öffnet sich mit ebenso vielen grossen, vollständig verglasten Rechtecktoren auf die Werkstrasse, die sich anstelle früherer Scheunen- und Garagentore sowie Türen befinden. Den ehemaligen Heubergeraum darüber ziert auf der ganzen Länge eine erneuerte, mit hübschen Sägemotiven in Rauten und Punktform verzierte, vertikale Bretterverschalung. In gleicher Weise sind auch die beiden Giebelfelder gestaltet, die heute – der früheren Fensteranordnung an der Südfassade entsprechend – je drei Fensterachsen aufweisen. Die ehemaligen, für Kalträume typischen hölzernen Läden mit Jalousien, die im Zusammenspiel mit der Bretterverschalung den Ökonomiecharakter des Gebäudes unterstrichen, wurden bei der Umnutzung weggelassen.
Das Dach greift mit einem grossen, von langen Bügen gestützten Vorschermen über die Fassade hinaus, wobei es sich bei den aussen sichtbaren Rafen fast durchwegs um neue Bauteile handelt. Stirnseitig werden die heute aufgedoppelten Pfetten von beschnitzten Bügen gestützt. Sowohl nach Südwesten als auch nach Nordosten sind dem Dach über den fünf inneren Jochen ebenso viele eng gesetzte und in die Dachfläche eingeschnittene Giebelgauben mit dreiteiligen, querliegenden Fenstern aufgesetzt.
Die vermutlich aus den 1920er Jahren stammenden Anbauten (mehrere Einträge und geringfügige Werterhöhungen im Brandkataster) sind in Anlehnung an die überlieferte Befensterung mit Türen und Fenstern versehen. An der Rückseite zeigt sich aufgrund eines jüngeren traufseitigen Anbaus kaum mehr historische Substanz.
Die einzelnen Einheiten im Erdgeschoss sind separat erschlossen. In den südlichen beiden Jochen befindet sich die Druckereiwerkstatt der Eigentümer mit Ausstellungsteil zum Stroppelareal. Von hier gibt es einen Durchgang zum neu ergänzten Treppenhaus in den ehemaligen Heuberge- und Lagerraum, das in den schmalen Randbereich des Hauptbaukörpers eingefügt wurde, und zum südlichen Anbau. Im grosszügigen offenen Dachraum ist noch die alte Dachkonstruktion zu sehen, deren Besonderheit in den mächtigen Firstständern liegt, die vom Erdgeschoss bis zum First emporreichen.
Anmerkungen:[1] Hoegger 1995, S. 175-176.
[2] Boner 1983, S. 188. Die abweichenden Bezeichnungen der Gebäude auf der Schautafel des Industriekulturpfads 1996 beziehen sich auf die Zeit nach dem Umbau und der Modernisierung der Bauten 1907-09.
[3] Lang/Steigmeier 1995, S. 23.
[4] Meier/Steigmeier 2008, S. 130.
[5] Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss 1996, S. 21.
[6] Lang/Steigmeier 1995, S. 5-6; Hoegger 1995, S. 175.
[7] Meier/Steigmeier 2008, S. 132 (Bildlegende Abb. 10)
[8] Hoegger 1995, S. 175-176; Lang/Steigmeier 1995, S. 6-7; AZ vom 22. Juni 2012, S. 31; Meier/Steigmeier 2008, S. 131.
[9] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung BLN, BLN 1019 Wasserschloss beim Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat (Schutzziel 3.8 Die kulturhistorischen Zeugen der Wasserkraftnutzung und der frühen industriellen Entwicklung erhalten).
Literatur:- Georg Boner, Die Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, Baden 1983, S. 186-190.
- Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 7, Basel 1995, S. 175-177.
- Der Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss im Raum Turgi-Untersiggenthal-Vogelsang (Dokumentation 5), Baden 1996, S. 19-21.
- Norbert Lang/Andreas Steigmeier, Fabrikanlage und Kraftwerk Stroppel (Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss, Dokumentation 2), Baden 1995.
- Bruno Meier/Andreas Steigmeier, Untersiggenthal. Eine Gemeinde im Umbruch, Untersiggenthal 2008, S. 130-133.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 135.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130314
 

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