INV-UNS929G Schreinerei/Magazin Stroppel, 1870 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-UNS929G
Signatur Archivplan:UNS929G
Titel:Schreinerei/Magazin Stroppel
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Süden (2015)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Untersiggenthal
Ortsteil / Weiler / Flurname:Stroppel
Adresse:Stroppelstrasse 23
Versicherungs-Nr.:180
Parzellen-Nr.:2808
Koordinate E:2660410
Koordinate N:1261661
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2660410&y=1261661

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1870
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Bauten der Nähfadenfabrik Stroppel (Bauinventarobjekte UNS929A-F, H-M)
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Werkstatt

Dokumentation

Würdigung:Eingeschossiges, unter ausladendem, geradem Satteldach in Fachwerk und Holz erstelltes Gebäude aus der Zeit um 1870, das ehemals die Sägeeinrichtungen enthielt und zusammen mit der nördlich angebauten Werkstatt eine kurze, längs zur Werkstrasse gestellte Zeile bildet. Der Bau zeichnet sich durch eine originelle Gestaltung des ganz in Holz ausgeführten Giebelfeldes aus. Dieses weist in der Mitte eine ungewöhnlich breite, mit vier hölzernen Jalousieländen verschlossene Lüftungsöffnung auf, deren äussere beiden Felder parallel zur Dachneigung schräg geschnitten sind. Im zeittypischen Schweizer Holzstil ist die vertikale Bretterverschalung verziert, in deren Fugen sich ausgesägte Punkte und Sterne aufreihen. Der ehemaligen Schreinerei kommt als Bestandteil der hinsichtlich ihrer Lage im Wasserschloss und der nahezu vollumfänglichen Erhaltung aller Bauten einzigartigen Fabrik- und Siedlungsanlage im Stroppel industriegeschichtliche Bedeutung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Fabrikanlage allgemein:
Pläne von alt Ammann Johann Baptist Umbricht und "Löwen"-Wirt Josef Leonz Müller aus Untersiggenthal, im Stroppel am rechten Limmatufer eine Baumwollspinnerei und -weberei zu eröffnen, wurden trotz der 1864 regierungsrätlich erteilten Konzession für ein Wasserrad nicht umgesetzt. 1867 erwarb der Zürcher Unternehmer Emil Escher-Hotz sowohl Land als auch Radrecht und nahm 1869 in der neu erstellten mechanischen Nähfadenfabrik die Produktion auf [1]. Gemäss Brandkataster von 1875 umfasste das Fabrikareal damals folgende Gebäude: "1. Färberei- und Bleichereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929D], einstöckig, von Stein erbaut mit Dampfkamin und zwei gewölbten Räumen im Erdgeschoss; 2. Zwirnereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929A], dreistöckig, von Stein erbaut; 3. Poliergebäude [Bauinventarobjekt UNS929C], einstöckig, zwischen dem 1. und 2. Gebäude eingebaut, mit Blech- und Glasdach; 4. Turbinenhaus [Vorgängerbau des heutigen Kraftwerks von 1908/1932, Bauinventarobjekt UNS929B], einstöckig, von Stein, Riegel und Holz; 5. Sägegebäude [Bauinventarobjekt UNS929G, hier beschrieben], an das Werkstattgebäude angebaut, einstöckig, von Stein, Holz und Riegel, mit Anbau, 1 Vertikalsäge, 2 Zirkularsägen, 1 Bandsäge nebst Getriebe; 6. Werkstattgebäude [Bauinventarobjekt UNS929H], zweistöckig; 7. Ökonomiegebäude mit angebauter Stallung [Bauinventarobjekt UNS929I] [2]." Zur Anlage gehörten ausserdem ein unmittelbar neben dem Ökonomiegebäude stehendes zweistöckiges Wohnhaus mit drei Wohnungen (sog. "Meisterhaus", Bauinventarobjekt UNS929J) und im Roost zwei zweistöckige Arbeiterwohnhäuser (beide abgebrochen). Um das Einzugsgebiet für auswärts wohnende Arbeitskräfte auch auf die andere Uferseite erweitern zu können, unterhielt Escher-Hotz 1869-72 eine Fähre und 1872-1881 einen Fussgängersteg über die Limmat [3]. Mit 259 Arbeiterinnen und Arbeitern erreichte die Fabrik 1883 einen Spitzenwert [4]. 1885 beschäftigte sie noch 225 Personen – zu drei Viertel Frauen und Mädchen – und war damit die achtgrösste Fabrik im Kanton [5].
1906 wurde die Firma von den Erben Eschers an die weltweit tätige schottische Unternehmergruppe für Nähfaden und Handarbeitsgarne, J. & P. Coats Ltd. in Glasgow verkauft und 1907 in die "Zwirnerei Stroppel AG" umgewandelt. Es folgten ein Umbau und eine Modernisierung der Anlagen, wobei das Turbinenhaus zu einem Kraftwerk (Bauinventarobjekt UNS929B) umgebaut und die Fabrik elektrifiziert wurden [6]. Neu hinzu kamen in dieser zweiten Bauetappe zwischen 1907 und 1911 flussaufwärts die neue Färberei (Bauinventarobjekt UNS929E), die Mitte 20. Jh. ein Sheddach erhielt, das Kesselhaus mit Hochkamin (Bauinventarobjekt UNS929F) und das Wasseraufbereitungsgebäude am südöstlichen Ende des Areals (nicht Bestandteil des Bauinventars). Ausserdem wurden in nordwestlicher Verlängerung der Anlage eine Direktorenvilla, ein Angestelltenwohnhaus und ein Arbeiterinnenheim mit Waschhaus (Bauinventarobjekte UNS929K-M) errichtet. Nach einem Brand im Jahr 1932 musste das Maschinenhaus des Kraftwerks neu gebaut werden [7].
Im Laufe der 1980er Jahre stellte Coats Stroppel AG die Produktion ein (Aufgabe der Zwirnerei 1985) und fokussierte sich auf den Handel mit Merceriewaren, was mit einer Stilllegung auch des Wasserkraftwerks einherging [8]. 1995 erwarb die Proma Energie AG das Kraftwerk und die historische Fabrikanlage. Nach einer sanften Nachrüstung und Automatisierung setzte sie das Kleinkraftwerk wieder in Betrieb. Seit 2011 wird es von der Axpo betrieben, welche die verbliebenen alten Maschinengruppen (Turbinen und Generatoren) auswechselte. Die anderen technischen Einrichtungen blieben teilweise museal vor Ort erhalten. Im Industrieareal entwickelte sich währenddessen ein Gewerbezentrum. Heute sind in den Gebäuden der ehemaligen Nähfadenfabrik verschiedene Nutzungen vereinigt, vom Kleingewerbe und Büroarbeitsplatz über Kunstateliers und Kulturbetriebe bis zu Wohnungen.

Schreinerei, später Magazin:
Das in der Gründungszeit der Nähfadenfabrik um 1870 errichtete "Sägegebäude" wurde gemäss Brandkataster nach 1906 von der neuen Eigentümerin J. & P. Coats Ltd. als Magazin umgenutzt [9]. Die im Brandkataster von 1875 erwähnten Einrichtungen (siehe oben) – eine Vertikalsäge, zwei Zirkularsägen, eine Bandsäge und Getriebe – wurden wohl in diesem Zusammenhang entfernt. Vermutlich in den 1960er Jahren wurde die westliche, der Werkstrasse zugewandte Längsseite, die bis zu diesem Zeitpunkt wie die südliche Giebelfront als Fachwerkwand bestanden haben dürfte, neu als massive Mauer hochgezogen. Der Anbau eines Warenlifts in der nordwestlichen Ecke zwischen Magazin und Werkstattgebäude dürfte gleichzeitig erfolgt sein. Im Innern wurde das Bodenniveau des Hauptraums vermutlich etwas abgesenkt, um Höhe zu gewinnen.
Beschreibung:Die gegenüber der Zwirnerei stehende Schreinerei gehört zu den fabrikbezogenen Ökonomiegebäuden, die in lockerer Abfolge die zum Land hin gelegene Seite der Werkstrasse säumen. Sie ist mit derselben Dachneigung und Längsachse an die höhere und breitere Werkstatt angebaut, von deren südöstlichen Giebelseite aus sie sich Richtung Kesselhaus erstreckt.
Der eingeschossige Bau ist unter einem ausladenden, schwach geneigten Satteldach geborgen, dessen Rafen auf der westlichen Traufseite, von einer Flugpfette abgestützt, einen Vorschermen bilden, während die östliche Traufseite auf der ganzen Länge von einem bereits ursprünglich vorhandenen Anbau eingenommen wird. Er ist über einem gemauerten Sockel als sichtbare Fachwerkkonstruktion erstellt, von der sich die nach Südosten orientierte Stirnfront und die hintere Längsseite weitgehend intakt erhalten haben. Die nach Westen, zur Strasse gerichtete Längs- und Eingangsseite präsentiert sich mit einer nachträglichen Vormauerung vermutlich aus den 1960er Jahren, die bis unter den in Holz konstruierten, innenseitig horizontal verbretterten Kniestock reicht. In seiner architektonischen Ausgestaltung interessant ist insbesondere der mit vertikalen Brettern verschalte Giebel, der in den Fugen zwischen den Brettern eine Aufreihung von ausgesägten, zierlichen Punkt- und Sternmotiven zeigt. Die Mitte besetzt eine breite, nur mit Holzlamellen verschlossene Öffnung, die an den beiden äusseren Jalousieläden in Entsprechung zur Dachneigung schräg zugeschnitten ist. Unten wird das Giebelfeld von einer eng gesetzten Reihe konkav beschnitzter Balkenköpfchen begleitet, deren zugehörige Hölzer das Auflager für den quer verlegten Bretterboden im Dachraum bilden. Denselben Zierabschluss zeigen Pfetten und Rafen. In der Mittelachse der Stirnfassade öffnet sich ein Rechteckfenster, das in jüngerer Zeit bis zum gemauerten Sockel nach unten verlängert wurde. Die schmale Tür am rückseitigen Anbau dürfte schon früher in den heutigen Abmessungen bestanden haben und war ehemals über eine gemauerte Treppe erreichbar.
An der vorderen Längsseite befindet sich - in die Ecke zwischen der nördlich angebauten Werkstatt und der Schreinerei eingefügt - ein wohl mit der gemauerten Front zusammen erstellter Liftschacht, der bis über den First der Werkstatt hinausreicht und dabei das Dach der Schreinerei durchbricht. Rechts vom Lift befinden sich in der gemauerten Westfassade entsprechend der damaligen Architektursprache ohne Gewände zwei Fenster, ein Tor mit Rollladen und der heutige Eingang. Durch letzteren gelangt man in den Hauptraum, der – möglicherweise infolge eines nachträglichen Absenkens des Bodenniveaus – eine beachtliche Höhe aufweist. Historische Oberflächen oder Einrichtungen haben sich darin nicht erhalten. In der Nordwand befinden sich übereinander zwei Durchgänge wohl aus den 1960er Jahren, die sich auf die Zwischenböden des Treppenhauses öffnen, das nachträglich in die Werkstatt eingebaut worden war. Den ursprünglichen Ausbau mit Gipswänden und Holzboden zeigt noch der traufseitige Anbau. Das Dachgeschoss besteht als Kaltraum. Es zeigt noch die bauzeitliche Konstruktion mit liegendem Stuhl, Firstständern und Zangenverbindungen an den Bindern.
Anmerkungen:[1] Hoegger 1995, S. 175-176.
[2] Boner 1983, S. 188. Die abweichenden Bezeichnungen der Gebäude auf der Schautafel des Industriekulturpfads 1996 beziehen sich auf die Zeit nach dem Umbau und der Modernisierung der Bauten 1907-09.
[3] Lang/Steigmeier 1995, S. 23.
[4] Meier/Steigmeier 2008, S. 130.
[5] Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss 1996, S. 21.
[6] Lang/Steigmeier 1995, S. 5-6; Hoegger 1995, S. 175.
[7] Meier/Steigmeier 2008, S. 132 (Bildlegende Abb. 10)
[8] Hoegger 1995, S. 175-176; Lang/Steigmeier 1995, S. 6-7; AZ vom 22. Juni 2012, S. 31; Meier/Steigmeier 2008, S. 131.
[9] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung BLN, BLN 1019 Wasserschloss beim Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat (Schutzziel 3.8 Die kulturhistorischen Zeugen der Wasserkraftnutzung und der frühen industriellen Entwicklung erhalten).
Literatur:- Georg Boner, Die Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, Baden 1983, S. 186-190.
- Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 7, Basel 1995, S. 175-177.
- Der Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss im Raum Turgi-Untersiggenthal-Vogelsang (Dokumentation 5), Baden 1996, S. 19-21.
- Norbert Lang/Andreas Steigmeier, Fabrikanlage und Kraftwerk Stroppel (Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss, Dokumentation 2), Baden 1995.
- Bruno Meier/Andreas Steigmeier, Untersiggenthal. Eine Gemeinde im Umbruch, Untersiggenthal 2008, S. 130-133.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 135.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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