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Neues aus dem Frühmittelalter

Blick auf die ausgrabungsfläche in Leibstadt.

In Frick und in Leibstadt entdeckte die Kantonsarchäologie im Februar 2022 erstmals Spuren von Häusern aus der Gründungszeit der beiden Gemeinden. In Leibstadt erwartete die Archäologen eine Besonderheit.

Frick ist seit Langem der zentrale Ort im Fricktal. Die römische Kleinstadt, der vicus, wurde in den 1980er-Jahren wiederentdeckt und in den Jahren 2012 bis 2014 wurden grosse Ausgrabungen im Gänsacker durchgeführt. Im heutigen Ortskern fand sich der Schutt des Schwabenkriegs von 1499 und auf dem Rampart Gräber aus dem Frühmittelalter. Wo aber standen die Häuser zu dieser Zeit? Nach 30 Jahren Suche wurden jetzt endlich erste Spuren des frühmittelalterlichen Orts im Bereich Schulstrasse/Maria-Theresia-Gasse entdeckt.

Lange gesucht − endlich gefunden

Direkt unter dem alten Parkplatz fanden die Grabungsmitarbeitenden Überreste von Grubenhäusern sowie Pfostenlöcher, die sich als dunkle Flecken im Kies abzeichneten. In den Pfostenlöchern hatten Balken gesteckt, die das Grundgerüst eines 14 mal 7 Meter grossen Bauernhauses bildeten. Die Grubenhäuser waren 3 bis 4 Meter lang und 2 bis 3 Meter breit. Sie waren nur 20 bis 50 Zentimeter tief in den Boden eingeraben und mit einem steilen Satteldach gedeckt. Grubenäuser dienten als Vorratskeller und als Werkstätten. Vielleicht wohnten auch die Armen des Dorfs in solchen Behausungen.

Die Ausgrabungen an der Schulstrasse zeigen, dass die Alamannen nicht zwischen den römischen Ruinen unterhalb des Kirchhügels bauten, sondern auf dem freien Feld zwischen Feihalterbach und Bruggbach. Der Ursprung des mittelalterlichen Frick liegt also nicht unter dem heutigen Ortskern sondern etwas südlich davon, Richtung Oberfrick. Erst im Hochmittelalter verschob sich der Ortskern wieder an die Fernstrasse, die von Basel über den Bözberg führt. Damit liegt der ursprüngliche Ortskern von Frick im Bereich der ehemaligen Hausgärten entlang der Geissgasse und es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren zwischen Schulstrasse und Kirchhügel noch weitere Spuren entdeckt werden.

Blick auf die Ausgrabungsfläche inmitten des Siedlungskerns von Frick.
Drohnenfoto der Ausgrabung in Frick.
Blick auf die geputzte Grabungsfläche, wo sich mehrere Strukturen im Boden abzweichnen.
Grabungsplan: Eingezeichnet und nummeriert werden Grubenhäuser und Pfostenlöcher...
Blick auf die geputzte Grabungsfläche, wo sich der Schatten des Neubaus bereits abzeichnet.
...und der Neubau wirft bereits seine Schatten voraus.

Unerwartete Infrastruktur in Leibstadt

Im Gegensatz zur Ausgrabung in Frick ist die Umgebung der Fundstelle in Leibstadt in den letzten Jahrzehnten fast vollständig überbaut worden. Leider waren die Erkenntnisse zu frühmittelalterlichen Siedlungen im Aargau damals noch nicht so weit vorhanden, dass man dabei die sicherlich vorhandenen Siedlungsspuren erkannt hätte. Erst die Erfahrungen der letzten 20 Jahre machen inzwischen Prognosen möglich. So weiss man nun, dass auf Schwemmfächern fast immer archäologische Fundstellen liegen. Mit Schwemmfächern werden die Bereiche bezeichnet, wo Bäche in die Ebene münden und bei Überschwemmungen immer wieder Lehm und Sand ablagern.

Auf einem solchen Schwemmfächer liegt auch der Ortskern von Leibstadt. Der Bau eines Einfamilienhauses wurde daher archäologisch begleitet. Prompt kam in 1,50 Meter Tiefe eine Drainage aus Kalksteinen und eine Scherbe aus der Römerzeit zum Vorschein. Damit schien die Sache zunächst klar: Das römische Leibstadt war gefunden.

Was nicht zum Römischen passte, war aber die Bauweise der Häuser, die hier einmal gestanden hatten: Pfostenlöcher wiesen auf eine "barbarische" Holzkonstruktion hin, und als dann noch Scherben aus dem frühen Mittelalter ans Licht kamen, musste das römische Leibstadt zugunsten des frühmittelalterlichen Leibstadt weichen. Zusammen mit den frühmittelalterlichen Gräbern, die bereits vor Jahren am Ortsausgang Richtung Full dokumentiert worden waren, stehen die Befunde von 2022 exemplarisch für die Gründungszeit vieler heutiger Ortschaften im Aargau. Neben ein oder zwei Höfen lagen jeweils kleine Gräbergruppen. Erst im Verlauf des Mittelalters entwickelten sich durch Bevölkerungswachstum und Zuwanderung daraus nach und nach Dörfer, die bald auch eine Kirche mit Friedhof erhielten.

Nirgends in der Schweiz wurden in den letzten Jahrzehnten so viele frühmittelalterliche Siedlungen entdeckt wie im Aargau.

Blick auf ein archäologisches Profil mit verschiedenen Schichten in unterschiedlichen Brauntönen.
Archäologische Schwarzwäldertorte: helle und dunkle Schichten aus verschiedenen Zeiten wechseln sich ab.
Geputzte Fläche mit einer sorgfältig gesetzten Steinreihe.
Die Steinreihen markieren eine Drainage aus dem 7. oder 8. Jahrhundert.
Profil der Baugrubenwand mit gut erkennbaren Steinschüttungen in der Erde.
Steinschüttung im Profil der Baugrubenwand: das war vor über 1200 Jahren ein befestigter Hofplatz.