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Seengen − von der Römerstrasse in die Urgeschichte

Ein Ausgräber legt eine Struktur in einer grossen Baugrube frei.

Bei Grabungen vor einem Bauprojekt in Seengen entdeckte die Kantonsarchäologie 2021 eine römische Strasse und die älteste Siedlungsstelle des Kantons.

An der Hinterdorfstrasse in Seengen wurde eine Überbauung mit acht Mehrfamilienhäusern realisiert. Im Vorfeld des Bauprojekts führte die Kantonsarchäologie im Frühjahr 2021 Ausgrabungen im Bauareal durch. Dabei entdeckte das Grabungsteam im März das Teilstück eines römischen Strassenkoffers.

Im weiteren Verlauf der Ausgrabung stiess das Grabungsteam unter der Römerstrasse weiter in die Urgeschichte vor.

Die römische Strasse

Der Grössenvergleich: Das Grabungsteam auf dem 7 Meter breiten römischen Strassenabschnitt. Der Grabungsmitarbeiter hinten rechts steht im ausgehobenen Strassengraben. Foto Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

Aufgrund älterer Untersuchungen in den Nachbarparzellen erwartete man zunächst archäologische Überreste aus der Bronze- und Mittelsteinzeit. Dann stiess das Grabungsteam der Kantonsarchäologie aber nur 30 Zentimeter unter dem Humus auf ein mächtiges Kiespaket. Dieses war rund 7 Meter breit und 40 Zentimeter mächtig. Innerhalb dieses Kieskoffers fanden sich römische Dachziegel, die belegen, dass es sich um eine römische Strasse handelt. Dabei dürfte es sich um die "römische Seetalstrasse" handeln.

Die Strasse wurde in römischer Zeit einmal erneuert, was sich durch zwei unterschiedliche Kieskofferungen zeigt. Talseitig der Strasse lag – wie üblich bei römischen Strassen – ein Graben, der etwa 1 Meter breit und rund 80 Zentimeter tief war. Kalkablagerungen im Graben zeigen, dass darin über längere Zeit Wasser stand. In Anbetracht der grossen Mengen an Hangwasser und mehrerer Bäche in der Umgebung macht die grosszügige Dimension des Strassengrabens Sinn.

Eine wichtige Verbindung

Die Strasse war ein wichtiger Verkehrsweg für die römischen Gutshöfe. Sie lagen in regelmässigen Abständen in Strassennähe. Auf der Strasse wurden Waren und die Post transportiert, auf ihr reisten Menschen und das Militär. Obwohl im römischen Strassenabschnitt in Seengen keine Funde geborgen wurden, die eine präzise Datierung erlauben, kann man davon ausgehen, dass die Strasse schon zur Bauzeit der römischen Gutshöfe im 1. Jahrhundert nach Christus bestand.

Ein weiteres Teilstück der römischen Strasse ist aus Egliswil, unmittelbar nördlich von Seengen, bekannt. Beide Strassenabschnitte gehörten zu einer Überlandstrasse, die zur Erschliessung des Mittellands diente. Die Strasse führte vom römischen Lenzburg nach Seengen. Von hier verlief sie vermutlich weiter ins Zugerland und Richtung Bündner Pässe. Die Passübergänge führten ins südalpine Strassensystem, das schlussendlich bis nach Rom reichte.

Eine Feuerstelle aus der Mittelsteinzeit

Unscheinbar, aber oho. Der älteste Siedlungsplatz des Kantons ist über 9600 Jahre alt. Foto Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

Ein Jahr zuvor kamen in der Nachbarparzelle bereits archäologische Überreste zutage, die aussergewöhnlich alt waren. Eine runde Feuerstelle, sorgfältig aus Bruchsteinen gesetzt, erwies sich als eine der wichtigsten Entdeckungen der letzten Jahre. Die C14-Datierung eines verkohlten Ästchens aus der Feuerstelle lieferte ein Datum von 7584 bis 7723 v. Chr. Die Feuerstelle ist also über 9600 Jahre alt!

Dies ist besonders, weil in der Schweiz aus dieser Zeit, der frühen Mittelsteinzeit (Frühmesolithikum), nur eine Hand voll archäologischer Fundplätze belegt sind. In der Regel finden sich keine Siedlungsplätze, sondern meist nur winzige Feuersteingeräte, die sogenannten Mikrolithen, auf frisch gepflügten Feldern.

Ein Dorf aus der Spätbronzezeit

Verschwindend klein ist das Grabungsteam der Kantonsarchäologie auf der Ausgrabungsfläche im Hinterdorf. Foto Kantonsarchäologie Aargau, © Kanton Aargau

Nachdem zuvor die älteste Siedlungsstelle des Kantons dokumentiert wurde, stiess das Grabungsteam der Kantonsarchäologie auf Spuren aus der späten Bronzezeit. Diese lagen im Vergleich zur mittelsteinzeitlichen Feuerstelle in der benachbarten Parzelle etwa eineinhalb Meter höher. Das Grabungsteam dokumentierte Spuren eines Hauses und eines Wegs aus der Spätbronzezeit, das heisst der Zeit um 1000 v. Chr.

Bauarbeiten auf einer weiteren, 6000 Quadratmeter grossen Parzelle wurden ebenfalls durch die Kantonsarchäologie begleitet. Bisher ist man überall, wo gebaggert wurde, auch auf Funde, Gruben und Pfostenlöcher aus der Spätbronzezeit gestossen. Mit einer Ausgrabungsfläche von insgesamt weit über 10'000 Quadratmetern im Hinterdorf wird es in einigen Jahren vielleicht sogar möglich sein, etwas zur Siedlungsstruktur der Spätbronzezeit in Seengen auszusagen.