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November 2020

Finanzpolitische Planung in Zeiten von Ungewissheit und Unwägbarkeiten

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Landammann Markus Dieth, der Regierungsrat hat im August 2020 den Aufgaben- und Finanzplan 2021–2024 mit Szenarien präsentiert und auf Aktualisierungsbedarf hingewiesen.

Das ist richtig. Aufgrund der Ausgangslage rund um die Coronavirus-Pandemie will der Regierungsrat mit den verschiedenen Szenarien einerseits auf die unsicheren Rahmenbedingungen hinweisen, andererseits aber aufzeigen, dass er auf unterschiedliche Entwicklungen vorbereitet ist. Zudem muss bedacht werden, dass diese Szenarien von Anfang August stammen und mittlerweile neue Erkenntnisse vorhanden sind.

Welche neuen, wichtigen Erkenntnisse hat es seit August 2020 nun gegeben?

Die neusten volkswirtschaftlichen Prognosen gehen davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie die Schweiz und auch den Aargau etwas weniger stark getroffen hat als im Sommer erwartet. So sind wir im Juli noch von einem realen Wirtschaftseinbruch von gut 5 Prozent ausgegangen. Mittlerweile liegen die Prognosen eher bei rund minus 4 Prozent. Mit der aktuellen Explosion der Fallzahlen kann es aber auch wieder in die andere Richtung gehen. Die rasch ändernde gesundheitspolitische Lage und die vom Staat ergriffenen Massnahmen erfordern eine laufende Überprüfung der Lage.

Das Budgetjahr 2021 rückt näher, konkretisieren sich dementsprechend auch die Annahmen fürs Budget 2021?

Aktuell zeigen sich keine Anhaltspunkte für eine Anpassung des Budgets 2021. Trotz der aktuellen Wirtschaftsprognosen erachten wir die budgetierten Steuereinnahmen nach wie vor als richtig. So sind die Auswirkungen der aktuell wieder stark steigenden Covid-Fallzahlen noch nicht bekannt und daher nicht berücksichtigt. Im Sinne der Vorsicht sollte deshalb keine Korrektur der Budget- und Planwerte bei den Steuern vorgenommen werden. Inwiefern die wieder steigenden Fallzahlen die Ausgaben des Kantons tangieren, können wir heute noch nicht beurteilen.

Die inzwischen wieder sehr stark steigenden Fallzahlen gefährden die wirtschaftliche Erholung.

Für die Planjahre 2022 bis 2024 präsentierte der Regierungsrat drei Szenarien: Ein Basisszenario und je ein mildes und negatives Szenario – in welche Richtung läuft es nun?

Die besseren Wirtschaftsprognosen vom Oktober liegen nahe beim milden Szenario. Die inzwischen aber wieder sehr stark steigenden Fallzahlen gefährden die wirtschaftliche Erholung. So gesehen orientieren wir uns weiterhin am Basisszenario.

In Krisenzeiten wie jetzt mit der Coronavirus-Pandemie gibt es verschiedene Ansätze und Meinungen: Sparen um jeden Preis, inklusive Personalabbau; verstärkt investieren, um antizyklisch zu wirken; oder gar die Steuern senken, um die Konjunktur und damit die Volkswirtschaft zu beleben. In welche Richtung geht der Aargauer Regierungsrat?

Oberstes Ziel des Regierungsrates ist es, dass der Aargauer Staatshaushalt nach der erfolgreich umgesetzten Haushaltsanierung durch die Covid-19-Pandemie nicht wieder in Schieflage gerät. Deshalb heisst es nun: "Nichts überstürzen." Es sollen nicht unplanmässig übergrosse Investitionsprogramme lanciert werden, aber es ist auch der falsche Zeitpunkt, um Sparprogramme zu initiieren. Mit der abgeschlossenen Gesamtsicht Haushaltsanierung steht der Kanton Aargau finanziell auf soliden Beinen und kann dank der mit rund 483 Millionen Franken gut gefüllten Ausgleichsreserve ein allfälliges Defizit im Übergangsjahr 2021 gut decken.

Und welches Vorgehen plant der Regierungsrat mit der aktuellen Steuergesetzrevision?

Die laufende Steuergesetzrevision soll auf das Jahr 2022 in Kraft gesetzt werden, das Budget 2021 ist davon also nicht betroffen. Die entscheidende Frage bei der Beratung der Steuergesetzrevision im nächsten Jahr wird die Frage sein, ob neben der bereits geplanten Erhöhung des Pauschalabzugs für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen bei den natürlichen Personen zusätzlich ein finanzieller Handlungsspielraum für eine Reduktion des Gewinnsteuersatzes bei den juristischen Personen besteht. Bezüglich der Erhöhung des Pauschalabzugs wurde bereits im Anhörungsbericht vom 22. April 2020 erwähnt, dass dies im Jahr 2022 Mindereinnahmen von 46 Millionen Franken beim Kanton und 42 Millionen Franken bei den Gemeinden bewirken wird. Die mit der aktuell laufenden Zusatzanhörung nun zusätzlich vorgesehene Senkung des oberen Gewinnsteuersatzes von heute 18,6 Prozent auf 15,1 Prozent hätte – statistisch betrachtet – insgesamt im "Endausbau" Mindereinnahmen von 90 Millionen Franken beim Kanton und 43 Millionen Franken bei den Gemeinden zur Folge. Um dies abzufedern zieht der Regierungsrat in Betracht, diese Steuersenkung über drei Etappen 2022–2024 vorzunehmen. Für die Beurteilung der Finanzierbarkeit der Steuergesetzrevision wird die vom Regierungsrat angekündigte finanzpolitische Standortbestimmung im Frühjahr 2021 eine zentrale Grundlage sein.

Worauf basiert denn diese finanzpolitische Standortbestimmung?

Mit der finanzpolitischen Standortbestimmung wollen wir im nächsten Frühjahr eine neue Lagebeurteilung vornehmen und den finanziellen Handlungsspielraum aufzeigen. Zu diesem Zeitpunkt werden wir neue Erkenntnisse zu folgenden finanzpolitisch relevanten Rahmenbedingungen haben:

  • Wir kennen das Rechnungsergebnis 2020 und als Folge dessen den aktuellen Stand der Ausgleichsreserve. Nach heutiger Einschätzung gehen wir von einem positiven Ergebnis der Jahresrechnung 2020 aus.
  • Wir verfügen im Frühjahr über eine aktuelle Steuerprognose, die das Jahresergebnis 2020 sowie die dann vorliegenden Konjunkturprognosen berücksichtigen wird.
  • Mit den Planungsgrundlagen zum neuen AFP 2022–2025 werden wir bereits eine Aktualisierung der wichtigsten und grössten Ausgabepositionen vornehmen (zum Beispiel Spitalfinanzierung, Prämienverbilligung, Ergänzungsleistungen, Lehrerlöhne, Verkehrsangebot und so weiter).
  • Ende Januar kennen wir das Ergebnis der Schweizerischen Nationalbank für das Geschäftsjahr 2020 und damit auch die Ausschüttung für das kantonale Rechnungsjahr 2021 (max. vierfache Ausschüttung möglich; doppelte Ausschüttung budgetiert).
  • Wir kennen möglicherweise bereits die Eckpunkte der künftigen Gewinnausschüttungsvereinbarung zwischen dem Bund und der SNB für die Jahre ab 2022 (Geschäftsjahr 2021 der SNB). Ich habe mich in der Finanzdirektorenkonferenz dafür eingesetzt, dass im Sinne einer Verstetigung auch in Zukunft höhere Ausschüttungen an den Bund und die Kantone vorzusehen sind, sofern die Ausschüttungsreserve einen gewissen Bestand überschreitet.
  • Wir verfügen im Frühjahr 2021 über aktuelle Erkenntnisse zum Verlauf und den finanziellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Bleibt zu hoffen, dass dann ein Ende der Pandemie absehbar sein wird.
  • Und schliesslich wird zu diesem Zeitpunkt die Aktualisierung der finanziellen Langfristperspektive abgeschlossen sein. Die neue Finanzperspektive wird die bereits erwähnten Aspekte sowie verschiedene Szenarien berücksichtigen.

Anhand all dieser Informationen und Erkenntnisse wird der Regierungsrat seine finanzpolitische Standortbestimmung vornehmen und die Botschaft zur ersten Beratung der Steuergesetzrevision verabschieden.

Die finanzpolitische Standortbestimmung vom nächsten Frühjahr wird eine zentrale Entscheidungsgrundlage für die anstehenden Steuergesetzrevisionen sein.