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Juli 2018

Aufgaben- und Finanzplan 2019–2022 – Ausblick

Der Regierungsrat hat vor den Sommerferien den Aufgaben- und Finanzplan 2019–2022 beraten. Dieser wird am 24. August 2018 dem Grossen Rat zugestellt und der Öffentlichkeit vorgestellt, zusammen mit einem weiteren Zwischenbericht "Gesamtsicht Haushaltsanierung". Finanzdirektor Markus Dieth, Vorsteher Departement Finanzen und Ressourcen, erläutert die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen AFP und Gesamtsicht Haushaltsanierung.

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Foto: Michel Jaussi

Portrait von Regierungsrat Markus Dieth

Wie ist die aktuelle Finanzsituation des Kantons Aargau?

Markus Dieth: Wir befinden uns in einem Zwischenhoch. Der gute Rechnungsabschluss 2017 mit einem Überschuss von 119 Millionen Franken darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir von zahlreichen Sondereffekten profitiert haben. Auch im laufenden Jahr werden wir voraussichtlich einen Überschuss in ähnlicher Grössenordnung erzielen. Der Hauptgrund dafür ist die Zusatzausschüttung der Schweizerischen Nationalbank von über 50 Millionen Franken. Auch dies ist ein Einmaleffekt, auf den wir uns in Zukunft nicht verlassen dürfen. Daneben dürften die Steuererträge aufgrund der guten Wirtschaftslage deutlich besser als budgetiert abschneiden. Dass die Steuererträge wieder ansteigen zeigt, dass der Kanton Aargau grundsätzlich in einer guten Verfassung ist. Zudem erwarte ich wie letztes Jahr eine hohe Budgetdisziplin in der ganzen Verwaltung.

Was sind die Gründe dafür?

Für den AFP 2019–2022 profitieren wir kurzfristig ebenfalls von höheren Erträgen, sowohl bei den Steuern als auch beim Nationalen Finanzausgleich. Wenn wir etwas weiter in die Zukunft blicken, erkennen wir aber trotz der guten Konjunkturlage weiterhin eine strukturelle Finanzierungslücke, die wir schliessen müssen. Wir haben in der Finanzplanung bereits Einsparungen von mindestens 80 Millionen Franken aus den Reformvorhaben der Gesamtsicht Haushaltsanierung berücksichtigt, die wir nun umsetzen und realisieren müssen. Wir werden dem Grossen Rat einen über alle Jahre ausgeglichenen AFP 2019–2022 präsentieren. Dieses erfreuliche Resultat ist aber nur möglich, wenn die Reformvorhaben der Gesamtsicht Haushaltsanierung umgesetzt und Entnahmen aus der Ausgleichsreserve vorgenommen werden können.

Trotz der guten Konjunkturlage haben wir weiterhin eine strukturelle Finanzierungslücke, die wir schliessen müssen.

Als Finanzdirektor sehe ich aber auch diverse finanzpolitische Risiken. Die wirtschaftliche Erholung hat viel mit der Abschwächung des Schweizerfrankens zu tun. Sollte sich dieser Trend wieder umkehren, sei es wegen des weltweiten Handelsstreits oder anderer Entwicklungen, hat dies unmittelbar negative Auswirkungen auf die Steuererträge des Kantons und der Gemeinden. Zudem muss mit politischen Differenzen bei der weiteren Umsetzung der Haushaltsanierung gerechnet werden. Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass sowohl die aufwandseitigen Reformvorhaben als auch die ertragsseitigen Massnahmen der Haushaltsanierung im Einzelfall immer auch politisch umstritten sein werden.

Der Regierungsrat ist daran, den Aufgaben- und Finanzplan 2019–2022 zu beraten. Was sind die wichtigsten Punkte?

Massgebend für den AFP ist die Steuerprognose. Die aktuelle Schätzung des Steuerertrags aus Kantonssteuern zeigt im Budget 2019 gegenüber dem Budget 2018 eine klare Ertragssteigerung. Der Mehrertrag fällt vor allem bei den juristischen Personen an. Der Grund dafür sind insbesondere die aktuell gute Konjunkturlage und der schwächere Schweizerfranken. Die Prognose des Bundes zu den Anteilen an Bundessteuern zeigt in die gleiche Richtung.

Gemäss den Vernehmlassungsunterlagen der Eidgenössischen Finanzverwaltung sinkt der Ressourcenindex des Kantons Aargau für das Jahr 2019 um 1,5 Punkte auf 83,8 Indexpunkte. Im Jahr 2019 wird der Kanton Aargau knapp 408 Millionen Franken aus dem Ressourcenausgleich erhalten (Vorjahr: 343 Millionen Franken). Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat mit einer Erhöhung der Ressourcenausgleichszahlungen gerechnet und wird im Rahmen der Anhörung die Datengrundlagen prüfen und zu den Ausgleichszahlungen Stellung nehmen.

Die Reformvorhaben der Gesamtsicht Haushaltsanierung sind von zentraler Bedeutung

Ebenfalls zentral sind die Reformvorhaben der Gesamtsicht Haushaltsanierung. Die ersten Reformvorhaben zeigen bereits ab 2019 Wirkung und sind im AFP abgebildet. Die weiteren Reformen sind als Pauschalposition enthalten. Gerade weil weiterhin Umfeldrisiken für die Aargauer Wirtschaft bestehen, sind die Reformvorhaben zur Senkung der strukturellen Finanzierungslücke zentral. Die grössten Risiken sind der Wechselkurs des Euros oder weitere Zollrestriktionen im globalen Markt.

Der Regierungsrat hat vor etwas mehr als einem Jahr die Gesamtsicht Haushaltsanierung lanciert. Wichtigster Bestandteil auf der Aufwandseite sind die Reformvorhaben, insbesondere in den mengen- und kostenintensiven Bereichen Gesundheit und Bildung. Wie ist da der Stand der Dinge?

Das Projekt Gesamtsicht Haushaltsanierung verfolgt das Ziel, dass der Kanton Aargau seine bestehende strukturelle Finanzierungslücke langfristig schliessen kann und wieder handlungsfähig wird. Lanciert wurde das Projekt mit der 10-jährigen Finanzperspektive im Entwicklungsleitbild 2017–2026, wo wir feststellen mussten, dass der Kantonshaushalt über eine bedeutende strukturelle Finanzierungslücke verfügt. Der Regierungsrat hat ein Konzept mit drei Elementen erstellt. Erstens mit aufwandseitigen Massnahmen, zweitens mit ertragsseitigen Massnahmen und drittens mit kurzfristigen Finanzmassnahmen.

Wir können heute festhalten, dass wir auf Kurs sind. Da wir ertragsseitig aktuell von vergangenen schlechten Steuerjahren vom Nationalen Finanzausgleich profitieren, können wir aus heutiger Sicht für die Planjahre auf eine Steuererhöhung verzichten. Ebenso ist vorläufig die vom Grossen Rat gewährte rechtliche Möglichkeit einer befristeten Aussetzung der Schuldentilgung der Spezialfinanzierung Sonderlasten zurzeit nicht nötig.

Auch auf der Aufwandseite können wir erste Erfolge erzielen

Auch auf der Aufwandseite können wir erste Erfolge erzielen. In der Volksschule können bereits mit dem AFP 2019–2022 jährlich 5 Millionen eingespart werden. Bis ins Jahr 2024 sollen diese Einsparungen bis auf 15–25 Millionen jährlich ansteigen. In der Gesundheit haben wir für das Budgetjahr 6,6 Millionen eingespart. Hier bestehen hingegen in den Planjahren ab 2021 noch offene Fragen, die es weiter zu konkretisieren gilt. Zum heutigen Zeitpunkt sieht es so aus, als ob mit der Spitalgesetzrevision allein nicht die erwünschte Entlastung erzielt werden kann. Das Departement Gesundheit und Soziales arbeitet deshalb an weiteren Massnahmen, um die vom Regierungsrat aufgestellte Vorgabe von 20–30 Millionen Franken Entlastung zu erreichen.

Damit die geplanten Reformvorhaben greifen, braucht es die politische Unterstützung dazu. Es wird sich zeigen, wie die einzelnen Vorlagen auch vom Parlament gutgeheissen werden. Mit dem aufschiebenden Entscheid des Grossen Rats zur Optimierung der Staatsanwaltschaften verzögert sich bereits ein erstes Reformvorhaben.

Der Regierungsrat geht in seinem Sanierungskonzept bei den Reformvorhaben von einer Entlastungswirkung von 80 bis 120 Millionen Franken aus. Unter anderem wird mit dieser Spanne angestrebt, dem Grossen Rat Varianten zu präsentieren. Was geschieht, wenn mit den grossen Reformvorhaben nicht die erhoffte Entlastung erwirkt werden kann?

Das Sanierungskonzept verfügt mit den Reformvorhaben, den Finanzmassnahmen und den ertragsseitigen Massnahmen über drei politische Stellschrauben. Werden beispielsweise vom Grossen Rat oder im Fall einer Volksabstimmung vom Aargauer Stimmvolk weniger ertragsseitige Massnahmen gutgeheissen, führt dies dazu, dass zusätzliche Massnahmen zur Aufwandminderung oder weitere Finanzmassnahmen als Kompensation ausgearbeitet werden müssen. Umgekehrt haben Abstriche bei den aufwandreduzierenden Massnahmen zur Folge, dass diese entweder durch andere aufwandmindernde Massnahmen oder durch zusätzliche ertragsseitige Massnahmen respektive durch weitere Finanzmassnahmen kompensiert werden müssen. Zwischen den verschiedenen Elementen des Sanierungskonzepts gibt es somit unmittelbare Wechselwirkungen.

Zwischen den verschiedenen Elemente des Sanierungskonzepts gibt es Wechselwirkungen

Der Bund hat mit dem Wirksamkeitsbericht die Vorschläge für die Optimierung des Nationalen Finanzausgleichs (NFA) in die Anhörung gegeben. Was heisst dies für den Kanton Aargau?

Der NFA ist ein zentrales Element des gut funktionierenden schweizerischen Föderalismus. Er trägt der Stabilität und dem Ausgleich unter den Kantonen Sorge, ohne sich in die institutionellen, rechtlichen, administrativen und politischen Unterschiede der Kantone einzumischen. Der Kanton Aargau hat ein hohes Interesse, die Weiterentwicklung des NFA gemeinsam mit dem Bund und allen anderen Kantonen voranzutreiben.

Bei der vorliegenden Revision des Finanzausgleichs haben sich die Kantone zusammengerauft und einen Kompromissvorschlag erarbeitet. Dieser verbessert das System als Ganzes klar. Was die finanziellen Auswirkungen betrifft, mussten die Geber- wie die Empfängerkantone Abstriche bei ihren Forderungen machen. Der Kanton Aargau trägt die Reform mit, die nächstes Jahr im eidgenössischen Parlament behandelt wird. Nur mit einem Konsens unter den Kantonen kann der Finanzausgleich weiterentwickelt und dauerhaft als wichtiger Stützpfeiler für den Schweizer Föderalismus erhalten werden. Das System trägt zum politischen Frieden und der Stabilität der Schweiz bei, von der die Gesellschaft und die Wirtschaft profitieren.

Der Kanton Aargau erhält trotz der Revision des NFA mehr Geld aus dem Ressourcenausgleich, die Wirtschaft wächst, die Steuereinnahmen steigen weiter – braucht es das Sanierungskonzept Gesamtsicht Haushaltsanierung überhaupt noch?

In der Tat ist die Finanzierungslücke durch die ertragsseitigen Entwicklungen kleiner geworden, was ja erfreulich ist. Dennoch sind die strukturellen Finanzprobleme des Kantons noch nicht gelöst. Der AFP 2019–2022 konnte nur dank der Ausgleichsreserve und dank den pauschal eingestellten Entlastungen durch die Reformvorhaben der Gesamtsicht Haushaltsanierung und des Sondereffekts Heimfallverzichtsentschädigung Klingnau ausgeglichen werden. Die Äufnung der Ausgleichsreserve ist zudem die Folge von einmaligen Sondereffekten, mit denen nicht erneut gerechnet werden kann, respektive die sich gar ins Negative drehen könnten. Gerade in konjunkturell guten Zeiten müssen wir Überschüsse in die Ausgleichsreserve einlegen. Wir müssen verantwortungsvoll in die Zukunft planen und in guten Zeiten Polster für schwierige Zeiten anlegen.

Der Kanton Aargau darf sich auf keinen Fall zurücklehnen

Die zusätzlichen Mittel aus dem NFA haben nicht nur positive Aspekte. Als starker Wirtschaftskanton wollen wir im Vergleich mit den anderen Kantonen an Ressourcenstärke zulegen. Wenn uns das gelingt, steigt mit einer gewissen Verzögerung unser Ressourcenindex, was wiederum tiefere Erträge zur Folge haben kann. Der Kanton Aargau darf sich auf keinen Fall aufgrund dieser vorübergehenden Mehreinnahmen zurücklehnen, sondern muss die Haushaltsanierung aus eigener Kraft schaffen.