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Januar 2018

ELB-Strategie 3: Den Herausforderungen des Arbeitsmarkts begegnen

Regierungsrat Urs Hofmann, Vorsteher des Departementes Volkswirtschaft und Inneres (DVI), erläutert in einem Interview, mit welchen Strategien und Ideen der Aargauer Regierungsrat den industriellen und wirtschaftlichen Wandel im Aargau begleiten will, damit für die Menschen im Aargau möglichst viele Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.

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Im Entwicklungsleitbild 2017–2026 ist die Strategie des Regierungsrats zur Beschäftigungslage im Kanton mit "Den Herausforderungen des Arbeitsmarkts begegnen" überschrieben. Was sind im Moment die grössten Herausforderungen in diesem Bereich?

Urs Hofmann: Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist paradox: Während Arbeitsplätze ins Ausland verlagert oder durch Maschinen ersetzt werden, warnen Wirtschaft und Politik vor einer Verschärfung des Fachkräftemangels. Trotz hoher Ausbildungsstandards haben Schweizer Unternehmen Mühe, genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Davon betroffen sind Global Players genauso wie hochspezialisierte KMU, die für den Weltmarkt produzieren. Wachstumsstarke Hightech-Standorte wie das Fricktal spüren den Fachkräftemangel besonders stark.

Mit General Electric, Rockwell und Roche haben Ende des letzten Jahres grosse Unternehmen den Abbau von fast 2000 Stellen im Kanton Aargau angekündigt. Sind das, wie kolportiert wird, Anzeichen einer fortschreitenden Desindustrialisierung des Aargaus oder handelt es sich um Einzel- beziehungsweise Spezialfälle?

Urs Hofmann: Es gibt verschiedene Gründe, die zu einem Stellenabbau führen können. Diese sind stets im Einzelfall zu beurteilen. Dabei kann es um Produktionsverlagerungen ins Ausland gehen, die vorab aus Kostengründen erfolgen. Die Entwicklungen bei GE sind auf Sonderfaktoren im Energiebereich zurückzuführen: Veränderungen im Marktumfeld und eine rückläufige Nachfrage führen konzernweit zu Restrukturierungen beziehungsweise einem weiteren Stellenabbau.

Die Einführung von neuen Produkten oder Technologiegenerationen, der Ausbau neuer Vertriebswege, verbunden mit Kostenoptimierungen können weitere Gründe für einen Stellenabbau sein. So begründet Roche zum Beispiel den Stellenabbau im Verpackungsbereich in Kaiseraugst.

Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass man aus den erwähnten Beispielen eine beschleunigte Deindustrialisierung ableiten kann. Es handelt sich vielmehr um einen langfristigen Trend, der seit Jahrzehnten zu beobachten ist.

Für den Regierungsrat ist es wichtig, vor allem die KMU bei der technologischen Entwicklung (Industrie 4.0, Digitalisierung) zu unterstützen, damit sie ihre Markführerschaft behaupten können und konkurrenzfähig bleiben. Erfreulich ist zudem, dass auch im Aargau im vergangenen Jahr Hunderte neuer Stellen geschaffen wurden, so zum Beispiel grade auch durch Roche, welche in Kaiseraugst ihren IT-Bereich mit rund 700 neuen Stellen zusammengefasst hat.

Bei der Arbeitsmarktpolitik geht es auf der einen Seite darum, im Kanton möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten und auf der andern Seite, Stellensuchende so rasch als möglich wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Wo setzt der Regierungsrat seine Prioritäten?

Urs Hofmann: Der Regierungsrat muss in beiden Bereichen aktiv sein. Er will einen möglichst hohen Bestand an inländischen Arbeitskräften sichern. Er unterstützt deshalb die vom Bund beschlossenen Massnahmen, mit denen das inländische Potenzial noch vermehrt genutzt werden soll. Dort, wo notwendig, muss jedoch auch der Zuzug ausländischer Fachkräfte aus Drittstaaten möglich sein.

Ebenso wichtig ist die schnelle Wiedereingliederung von Stellensuchenden. Besonders im Fokus stehen hier die über 50-Jährigen, Sozialhilfeempfangende, Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenommene. Die Herausforderung besteht darin, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den richtigen Kompetenzen zu neuen Aufgaben zu befähigen.

Welche Instrumente und Möglichkeiten hat eine Kantonsregierung, auf den Erhalt von bestehenden beziehungsweise die Schaffung neuer Arbeitsplätze Einfluss zu nehmen?

Urs Hofmann: Der Aargau verfolgt seit langem eine Wirtschaftspolitik, bei der möglichst günstige Rahmenbedingungen im Zentrum stehen. Dazu gehört unter anderem ein stabiler Arbeitsmarkt, eine nachhaltige Finanzpolitik, eine aktive Bildungs- und Forschungspolitik sowie eine funktionierende und bezahlbare Infrastruktur.

Mit den kantonalen Angeboten der Innovationsförderung sowie des Wissens- und Technologietransfers, wie dem Programm Hightech Aargau, werden unsere Unternehmen – insbesondere die KMU – bei der digitalen Transformation unterstützt. Hier sind viele innovative Kräfte am Werk und ich bin überzeugt, dass wir diese Herausforderungen als moderner Industrie- und Hightech-Kanton meistern werden.

Es gibt Menschen im Aargau, die von ihrer beruflichen Qualifikation oder ihrem Alter her mehr Mühe bekunden, eine neue Stelle zu finden, als andere. Was macht der Kanton für diese Menschen?

Urs Hofmann: Den Stellensuchenden werden für den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben von den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) Unterstützungsmassnahmen angeboten. Diese sind auf die individuelle Situation zugeschnitten.

Die Eingliederung von schwer vermittelbaren Stellensuchenden wird mit Beschäftigungsprogrammen und unter Berücksichtigung ihrer Kompetenzen gefördert. Mit der Pforte Arbeitsmarkt sollen die Kompetenzen der RAV, der Invalidenversicherung (IV) sowie der Sozialdienste der Gemeinden gebündelt werden.

Angesichts der Altersentwicklung in unserer Gesellschaft stellt sich die wichtige Frage, wie das Know-how älterer Fachkräfte länger nutzbar gemacht werden kann. In einer wissensbasierten Wirtschaft darf man mit 50 noch lange nicht zum alten Eisen gehören! In Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden setzt sich die Regierung deshalb dafür ein, dass ältere Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen erhalten.

Beim Innovationsprogramm Hightech Aargau oder beim Park innovAARE in Villigen als Teil des Schweizerischen Innovationsparks geht es um die Vernetzung von Innovations- und Wirtschaftsförderung mit der Forschungs- und der Bildungspolitik. Was erhofft man sich von solchen Initiativen bezogen auf die künftige Entwicklung des Arbeitsmarkts im Kanton Aargau?

Urs Hofmann: Die Digitalisierung bringt nicht nur einen tiefgreifenden Wandel mit sich, sondern bietet unseren Unternehmen auch neue Chancen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Durch die Vernetzung von Menschen, Maschinen, Systemen, Produkten und Unternehmen kann nicht nur eine Produktivitätssteigerung erreicht werden. Vielmehr ergeben sich komplett neue Möglichkeiten für Innovationen im Bereich Produkte und Dienstleistungen.

Für den Kanton Aargau als klassischer Industriekanton mit vielen Beschäftigen im zweiten Sektor ist es umso wichtiger, sich diesen Veränderungen frühzeitig zu stellen und offen zu sein für neue Wege. Mit den kantonalen Angeboten der Innovationsförderung sowie des Wissens- und Technologietransfers, wie dem Programm Hightech Aargau, dem Park innovAARE, dem Aargauer Forschungsfonds sowie dem Technopark Aargau werden unsere Unternehmen dabei unterstützt, die Chancen der vierten industriellen Revolution "Industrie 4.0" bestmöglich und rechtzeitig zu nutzen.

Beim Blick in die Zukunft von Arbeitswelt und Arbeitsmarkt ist als einzige Konstante der Wandel zu erkennen. Das heisst, dass von den Arbeitnehmenden künftig noch mehr Flexibilität erwartet wird. Was kann der Kanton tun, um die Menschen für diese Entwicklung fit zu machen?

Urs Hofmann: Die Basis bildet eine moderne Volksschule. Sie muss unter Berücksichtigung neuer Trends ein qualitativ hochstehendes Bildungsangebot bereitstellen. Im Anschluss daran brauchen wir Berufs- und Mittelschulen, welche die Schülerinnen und Schüler befähigen, sich in der Berufswelt immer wieder an neue Entwicklungen anzupassen.

Mit anderen Worten: Die Herausforderung besteht darin, die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu befähigen, ihre Kompetenzen möglichst selbstständig weiterzuentwickeln, um sich auch in einer sich stets verändernden Arbeitswelt zurechtzufinden. Nebst einem gut funktionierenden dualen Bildungssystem spielt dabei auch die Förderung der permanenten Aus- und Weiterbildung eine zentrale Rolle. Hier sind nebst den Arbeitnehmenden vor allem auch die Unternehmen gefordert.