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Oktober 2023

Aargau 2030 – Ein Programm für die Menschen im Aargau

Joana Filippi
© Foto Studio Gioia

Der Regierungsrat lancierte im April 2021 das Programm "Aargau 2030 – Stärkung Wohn- und Wirtschaftsstandort", um mit gezielten Ergänzungen bestehender Vorhaben sowie neuen Massnahmen die unternehmerischen Rahmenbedingungen und Attraktivität des Wohnstandorts weiter zu verbessern. Staatsschreiberin und Programmleiterin Joana Filippi erklärt im Interview Aufbau und Wirkungsziele des Programms "Aargau 2030".

Der Lancierung des Programms "Aargau 2030 – Stärkung Wohn- und Wirtschaftsstandort" ging eine Strukturanalyse des Aargaus als Wohn- und Wirtschaftskanton voraus. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus?

Die Erkenntnisse decken sich mit den einschlägigen Studien der UBS und Basel Economics. Zu den grössten Standortvorteilen des Kantons Aargau zählen unter anderem seine zentrale Lage, vergleichsweise günstige Wohnangebote sowie die gute verkehrstechnische Erreichbarkeit. Diese Stärken tragen zu einem überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum bei und auch die Wirtschaft wächst nominell. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies strukturelle Herausforderungen mit sich bringt.

So sind in unserem Kanton weniger Unternehmen aus wertschöpfungsintensiven Branchen angesiedelt als in anderen Kantonen. Beispielsweise fehlen ganz grosse Steuerzahler wie multinationale Unternehmen mit Forschungs- und Entwicklungs-, Verwaltungs- und Produktionsabteilungen oder Firmen aus der Versicherungsindustrie. Entsprechend findet man im Kanton Aargau auch weniger Hochverdienende oder Superreiche wie andernorts. Auf den Punkt gebracht: Die neuen Einnahmen durch das Wachstum decken tendenziell die Wachstumskosten nicht. Dies zeigt sich auch in der Entwicklung des Ressourcenpotenzials im Vergleich mit anderen Kantonen im Rahmen des Nationalen Finanzausgleichs. Trotz guten Standortqualitäten fällt der Aargau seit 2015 gegenüber den anderen Kantonen zurück.

Diese Entwicklungen, diese strukturellen Herausforderungen bewogen den Regierungsrat, das Programm "Aargau 2030 – Stärkung Wohn- und Wirtschaftsstandort" mit sieben Schwerpunktprojekten zu lancieren; ein achtes Projekt, die Wanderungsbefragung, konnte bereits abgeschlossen werden.

Wie war das Vorgehen, wie ist man auf die sieben Projekte gekommen?

Der Regierungsrat legte bei der Erarbeitung des Entwicklungsleitbilds 2021–2030 Themenfelder fest, die aus seiner Sicht für die Weiterentwicklung des Kantons in den nächsten zehn Jahren besonders wichtig sind.

In einem nächsten Schritt definierte er strategische Ziele, die mit einem übergeordneten, interdepartementalen Ansatz in Zusammenarbeit mit den Gemeinden, Wirtschaftsverbänden, Arbeitgeberorganisationen und so weiter angegangen werden sollen – um koordiniert und fokussiert Massnahmen zur Strukturverbesserung zu entwickeln und umzusetzen.

Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung einer Steuerstrategie, der ersten in der Geschichte des Kantons; dazu gehören zudem auch Massnahmen wie der strategische Landerwerb, um rasch und effizient wertschöpfungsintensive Unternehmen mit attraktiven Arbeitsplätzen ansiedeln zu können. Weitere Fokusbereiche sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Förderung von Fachkräften.

Die einzelnen Departemente haben dann entsprechende Projekte in ihren Zuständigkeitsbereichen definiert, die nun im Rahmen des Programms "Aargau 2030 – Stärkung Wohn- und Wirtschaftsstandort" departementsübergreifend bearbeitet werden.

Auf den ersten Blick gesehen, handelt es sich bei den sieben Projekten um ein buntes Allerlei verschiedenster Elemente von unterschiedlicher Relevanz. Das Spektrum reicht von der Steuerstrategie über ressourcenschonende Innovationen bis hin zu Well-Being dank den Aargauer Thermalbädern. Wo ist da der rote Faden?

Mit dem interdepartementalen Programm geht der Regierungsrat die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Kanton an. Dabei ist es wie in der Pharmazie oder beim Kochen: Es braucht mehrere Zutaten für ein gutes Essen oder für ein wirksames Medikament.

Die einzelnen Projekte und Themen des Programms "Aargau 2030" entfalten als wichtige Puzzleteile in unterschiedlichen Kombinationen ihre Wirkung und zusammen ergeben sie ein stimmiges Gesamtbild. Diesen Effekt zeigen wir in der Programmkommunikation anhand von drei "Geschichten" auf: Aus der Perspektive eines Unternehmens, einer Familie mit Eltern, die beide als Fachkräfte arbeiten, und aus der Sicht einer Gemeinde.

Dass für ein Unternehmen die Steuerbelastung und für eine Familie die familienergänzende Kinderbetreuung wichtig sind, um einen Standortentscheid zu treffen, leuchtet ein. Aber wie passt Well-Being, wie passen die Thermalbäder ins Gesamtbild?

Die Standortwahl einer Firma oder die Wohnortwahl von Menschen hängt immer von mehreren Faktoren ab. Für ein Unternehmen spielt selbstverständlich die Steuerbelastung eine wichtige Rolle, aber die rasche Realisierung eines Bauprojekts, die Verfügbarkeit von Fachkräften oder die Lebensqualität können ebenfalls sehr wichtig sein. Und für Familien, bei denen beide Elternteile arbeiten, ist sicher die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben ein wichtiger Faktor, genauso wie das Bildungs- oder Freizeitangebot.

Well-Being wurde in das Programm "Aargau 2030" aufgenommen, weil der Aargau der Thermalbad-Kanton der Schweiz ist, eine Geschichte aufweist, die bis zu den Römern zurückreicht und sich damit klar positionieren kann. Eine solche Positionierung unterstützt gleichzeitig auch die anderen zahlreichen attraktiven Freizeit- und Naherholungsangebote, die der Aargau zu bieten hat.

Im Programmnamen ist die Jahreszahl 2030 enthalten. Heisst das, dass nun noch sieben Jahre Zeit bleibt, die Wirtschafts-, Steuer- und Finanzstruktur des Kantons zu verbessern?

Der Zeitrahmen orientiert sich am Entwicklungsleitbild 2021–2030, in welchem die strategischen Ziele für das Programm "Aargau 2030" enthalten sind. Beim Programm "Aargau 2030" geht es darum, überdachend, fokussiert und koordiniert den Wohn- und Wirtschaftsstandort zu stärken. Wir gehen davon aus, dass es sich hier um einen fortwährenden Prozess handelt, der auch über 2030 hinaus andauern wird, denn auch die anderen Kantone entwickeln sich weiter.

Welche Erfolge kann das Programm "Aargau 2030" nach zwei Jahren Laufzeit bereits ausweisen und was sind die nächsten Meilensteine?

Vor einem Jahr haben wir die Wanderungsbefragung abgeschlossen und veröffentlicht. Die Befragung bei zu- und wegziehenden Einwohnerinnen und Einwohnern hat uns wesentliche Erkenntnisse über deren Motive gegeben, die in alle Projekte des Programms "Aargau 2030" einfliessen.

Vor einem Jahr wurde die Steuerstrategie als Planungsbericht an den Grossen Rat überwiesen. Die Beratungen wurden im Winter abgeschlossen. Gut die Hälfte der beschlossenen Leitsätze sind in die Steuergesetzrevision 2025 eingeflossen.

Dann möchte ich die Gebietsentwicklung im Sisslerfeld erwähnen, die mit grossem Einsatz vorangebracht wird. Das Sisslerfeld ist zwar kein Projekt des Programms "Aargau 2030". Es liefert uns aber wertvolle Hinweise für Gebietsentwicklungen, die wir mit diversen Standortgemeinden vorbereiten.

Weiter wurde ein Pilotprojekt für Bildungsgutscheine lanciert. Mit diesen Gutscheinen wollen wir Menschen motivieren, ihre Grundkenntnisse zu erweitern.

Zusammen mit der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie prüfen wir ein Umschulungsprogramm für Fachkräfte aus anderen Branchen, deren Wachstum rückgängig ist. Im Bereich der Informatikberufe arbeiten wir gemeinsam mit Unternehmen an der zukünftigen Aus- und Weiterbildung ihrer Fachkräfte.

Mit anderen Unternehmen werden Innovationsangebote für ressourcenschonendere Produktionsprozesse erprobt. Von Förderangeboten im Bereich der Digitalisierung und nachhaltiger Geschäftsmodelle profitieren verschiedene KMU im Aargau. Hier werden wir unterstützt vom Hightech-Zentrum und von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Brugg-Windisch.

Und zur Situation der familienergänzenden Kinderbetreuung wird eine kantonsweite Studie erarbeitet, die im kommenden Frühjahr abgeschlossen sein wird und die Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit aufzeigen soll. Im letzten Herbst wurde zusammen mit Aargau Tourismus eine Bäder-Dachkampagne lanciert.

Im nächsten Juni wollen wir dann alle beteiligten und interessierten Anspruchsgruppen aus der Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Gemeinden des Kantons zu einem zweiten Workshop einladen und mit ihnen gemeinsam die nächsten Schritte planen und angehen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich allen Beteiligten einen grossen Dank aussprechen. Wir sind begeistert, wie viele Gemeinden, Vereine, private und öffentliche Organisationen und Institutionen mit grossem Engagement und Fachwissen uns bei der Weiterentwicklung des Kantons unterstützen.