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November 2018

Umsetzung der Steuervorlage 17 im Kanton Aargau

Mitte Oktober hat der Regierungsrat zwei gewichtige Steuervorlagen in die Anhörung geschickt: Die eine betrifft die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) ins kantonale Recht, die andere betrifft diverse notwendige Anpassungen an neueres zwingendes Bundesrecht. Finanzdirektor Dr. Markus Dieth spricht im Interview über die SV17 (STAF), eine der schweizweit grössten Steuerrevisionen.

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Im Aargau gibt es nicht viele ausländische Statusgesellschaften, die von der Abschaffung der Steuerprivilegien betroffen sind. Welches Interesse hat der Kanton an der Umsetzung der Steuervorlage 17?

Markus Dieth: Das stimmt. 620 der knapp 25'000 juristischen Personen im Aargau sind Statusgesellschaften. Der Kanton Aargau hat aber trotzdem ein vitales Interesse am Gelingen der SV17. Denn die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Gesellschaften für die Schweiz ist gross. Sie bezahlen rund 3,3 Milliarden Franken an Bundessteuern und rund 2,1 Milliarden Franken an kantonalen Steuern. Und sie beschäftigen rund 150'000 Arbeitnehmende.

Welche Strategie verfolgt der Aargau bei der Umsetzung der SV17?

Markus Dieth: Der Regierungsrat will die SV17 als Chance nutzen, den Kanton Aargau im Standortwettbewerb mit den anderen Kantonen und dem angrenzenden Ausland positiv zu positionieren. Er verfolgt die Strategie, insbesondere jene Konzerne und KMU zu fördern, die innovativ und im Bereich Forschung und Entwicklung besonders aktiv sind.

Mit welchen Massnahmen will der Kanton die SV17 umsetzen?

Markus Dieth: Die Steuervorlage 17 ist für unseren Kanton eine grosse Herausforderung. Denn viele Kantone werden ihre Gewinnsteuertarife senken, um die heutigen Statusgesellschaften zu halten. Damit wird ein neuer Steuerwettbewerb entfacht. Der Aargau hat diesbezüglich keinen grossen Spielraum. Die Reduktion der Gesamtsteuerbelastung um 1 Prozent entspricht Mindereinnahmen von rund 30 Millionen Franken. Der Regierungsrat hat bei der Ausarbeitung der Steuervorlage deshalb bewusst das Mögliche mit dem Machbaren so vereint, damit alle im Kanton Aargau ansässigen Unternehmen weiterhin attraktive steuerliche Rahmenbedingungen vorfinden und der Aargau auch weiterhin ein bevorzugter Standort für neue Unternehmen bleibt.

Der Regierungsrat will unter anderem die neuen bundesrechtlich vorgesehenen Instrumente voll ausschöpfen. Deshalb wird bei der Patentbox, der tieferen Besteuerung von Erträgen von in der Schweiz entwickelten Patenten, der höchstmögliche Einschlag von 90 Prozent gewährt. Weiter soll ein zusätzlicher Abzug für den Forschungs- und Entwicklungsaufwand (F&E) eingeführt werden. Damit können die Unternehmen künftig 150 Prozent des F&E-Aufwandes abziehen – die nach Bundesrecht höchstmögliche Quote. Zum andern sollen alle Unternehmen in den Genuss einer massvollen Tarifreduktion kommen. Die Entlastung erfolgt sowohl bei der oberen Tarifstufe für Gewinne über

Der Kanton Aargau soll weiterhin verlässlicher und bevorzugter Unternehmensstandort sein. Für KMUs sowie für Konzerne.

250‘000 Franken wie auch der unteren Tarifstufe für Gewinne bis 250‘000 Franken. Damit profitieren auch die KMU. Können KMU die neuen Massnahmen ausschöpfen, kommen sie gar in den Genuss einer tieferen Gesamtsteuerbelastung als die gewinnstarken Grosskonzerne.

Wie finanziert der Aargau die Umsetzung der SV17?

Markus Dieth: Die Reform führt schätzungsweise zu Mindereinnahmen von rund 65 Millionen Franken beim Kanton und 30 Millionen Franken bei den Gemeinden. Die Gegenfinanzierung erfolgt zum einen durch einen Bundesbeitrag in der Höhe von gegen 40 Millionen Franken, an welchem auch die Gemeinden angemessen beteiligt werden. Die restliche Gegenfinanzierung soll gemäss Ergebnis der letzten Volksabstimmung zur Unternehmenssteuerreform (USRIII) innerhalb des Unternehmenssteuerrechts erfolgen. Damit ist weder eine Steuererhöhung bei den natürlichen Personen noch ein Leistungsabbau der öffentlichen Hand notwendig.

Wann soll die Steuervorlage im Aargau umgesetzt werden?

Markus Dieth: Damit die Rechtssicherheit für die Unternehmen baldmöglichst wiederhergestellt ist, soll die Umsetzung der Reform in den Kantonen schon auf den 1. Januar 2020 in Kraft treten. Deshalb hat der Regierungsrat bereits die Anhörung eröffnet, welche bis zum 24. Dezember 2018 dauert.

Die privilegierte Dividendenbesteuerung ist auch bei der SV17 – wie schon bei der USR III – ein zentraler und komplexer Punkt. Was ist Sinn und Zweck dieses Instruments?

Markus Dieth: Sinn und Zweck der privilegierten Dividendenbesteuerung ist die Verminderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, welche entsteht, wenn die in Form einer Dividende ausgeschütteten Gewinne einer Kapitalgesellschaft zuerst auf Stufe Gesellschaft mit der Gewinnsteuer und anschliessend auf Stufe Anteilseigner mit der Einkommenssteuer erfasst werden. Diese zweifache Besteuerung sollte grundsätzlich nicht höher sein als im Falle, wo das Unternehmen in Form einer Personengesellschaft geführt wird (Anmerkung der Redaktion: Prinzip der Rechtsformneutralität).

Nach geltendem Recht können die Kantone Dividendenerträge privilegiert besteuern, sofern die steuerpflichtige Person eine Beteiligung von mindestens 10 Prozent hält. Der Kanton Aargau besteuert diese Dividenden heute zu 40 Prozent des Satzes des gesamten steuerbaren Einkommens, sogenanntes Teilsatzverfahren. Das neue Bundesrecht schreibt einerseits die Methode der Entlastung vor, nämlich das Teileinkünfteverfahren, welches heute 50 Prozent des Satzes entspricht

Die neuen bundesrechtlich vorgesehenen Instrumente werden voll ausgeschöpft. Damit lässt sich die Gesamtsteuerbelastung bis auf rund 11 Prozent senken, was ein interkantonaler Spitzenwert ist.

und welches schon heute in vielen Kantonen angewendet wird. Andererseits müssen die Kantone eine Besteuerung zu mindestens 50 Prozent vorsehen. Die heutige 40 prozentige Besteuerung basiert auf den Verhältnissen bei deren Einführung im Jahre 2007. Da die Gewinnsteuerbelastung in den letzten Jahren kontinuierlich reduziert worden ist und sie im Rahmen der SV17 weiter sinken wird, ist eine Reduktion der Dividendenentlastung gerechtfertigt. Bei einer Festlegung bei 60 Prozent ist die Besteuerung bei allen Konstellationen immer noch tiefer als bei Einführung der privilegierten Dividendenbesteuerung im Jahre 2007. Die Entlastung wird also beibehalten.

Wegen des Methodenwechsels vom heutigen Teilsatzverfahren (Anmerkung der Redaktion: Reduktion des Steuersatzes auf dem Dividendenbetrag) zum neuen Teileinkünfteverfahren (Anmerkung der Redaktion: Reduktion der Bemessungsgrundlage auf den gesamten Einkünften) ergibt sich für rund einen Drittel der KMU-Besitzerinnen und Besitzer mit Dividendenbezügen sogar eine Steuerreduktion. Dies, weil die Reduktion der Bemessungsgrundlage auch eine Reduktion des gesamten Einkommens mit der Folge einer tieferen Progression bewirkt.

Werden die im Kanton Aargau ansässigen Unternehmen mit der Umsetzung der SV17 weiterhin attraktive steuerliche Rahmenbedingungen vorfinden?

Ja, die Aargauer Vorzüge werden – soweit gesetzlich noch zulässig – beibehalten. Der Kanton Aargau ist ein Hightech-Kanton. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Deshalb wird die SV17 im Aargau zugunsten der innovativen Unternehmen umgesetzt – für Konzerne wie auch KMU. Die neuen Sonderregelungen, das heisst die Patentbox und der zusätzliche Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, werden voll ausgeschöpft. Damit lässt sich die Gesamtsteuerbelastung, das heisst die Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern, bis auf rund 11 Prozent senken (Anmerkung der Redaktion: obere Tarifstufe), was ein interkantonaler Spitzenwert ist. Der Kanton Aargau ist auch ein KMU-Kanton. Die günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen für die KMU werden auch

Der Kanton Aargau ist ein Hightech-Kanton – ein Kanton für innovative Unternehmen. Dies soll auch in Zukunft so bleiben.

mit der SV17 erhalten und ausgebaut. Nutzen innovative KMU die neuen Sonderregelungen voll aus, so können sie die Gesamtsteuerbelastung bis auf 10 Prozent reduzieren (Anmerkung der Redaktion: untere Tarifstufe). Alle Unternehmen profitieren weiterhin von dem besonderen Aargau-Vorteil der Anrechnung der Kapital- an die Gewinnsteuer. Wer Gewinnsteuern in mindestens der Höhe der Kapitalsteuern bezahlt, muss die Kapitalsteuer nicht mehr separat entrichten.