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10.7 Verwandtenunterstützung

10.7.1 Anspruchsvoraussetzungen für Verwandtenunterstützung

Anspruch auf Verwandtenunterstützung hat, wer ohne diesen Beistand in Not geraten würde (Art. 328 Abs. 1 ZGB). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung befindet sich im Sinne dieser Bestimmung diejenige Person in einer Notlage, welche sich das zum Lebensunterhalt Notwendige nicht mehr aus eigener Kraft verschaffen kann (vgl. BGE 106 II 287 E. 3a).

Die Verwandtenunterstützungspflicht betrifft Verwandte in auf- und absteigender (gerader) Linie, also insbesondere Grosseltern, Eltern und Kinder (Art. 328 Abs. 1 ZGB) . Nicht unterstützungspflichtig sind demnach Verwandte in der Seitenlinie (Geschwister, Tanten und Onkel etc.), Stiefeltern und Stiefkinder sowie Verschwägerte (Schwiegereltern, Schwiegerkinder). Die finanziellen Mittel einer Ehepartnerin / eines Ehepartners oder einer eingetragenen Partnerin / einem eingetragenen Partner der unterstützungspflichtigen Person können nicht direkt zur Unterstützung herangezogen werden (vgl. Kapitel 10.7.3 Berechnung des Verwandtenunterstützungsanspruchs).

Der Anspruch auf Verwandtenunterstützung gegen die Pflichtigen ist in der Reihenfolge der Erbberechtigung geltend zu machen (Art. 329 Abs. 1 ZGB). Sind mehrere in Frage kommende Verwandte vorhanden, so sind in erster Linie allfällige Kinder der unterstützten Person und in zweiter Linie Enkel und weitere Nachkommen heranzuziehen. Nur wenn keine unterstützungspflichtigen Nachkommen vorhanden sind, ist die Verwandtenunterstützungspflicht der Eltern und weiterer Vorkommen in gerader Linie zu prüfen (Art. 329 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 457 Abs. 1 und Art. 458 Abs. 1 ZGB). An die übrigen Anspruchsvoraussetzungen sind höhere Anforderungen zu stellen, je entfernter der Verwandtschaftsgrad ist (vgl. BGer 5C.186/2006 E. 3.2.2). Unter Verwandten gleichen Grades (zum Beispiel mündige Kinder) besteht eine (nach ihren Verhältnissen) anteilsmässige Verpflichtung. Es gilt keine Solidarhaftung (vgl. BGE 59 II 1 S. 6).

Gestützt auf Art. 329 Abs. 2 ZGB kann die Unterstützungspflicht ermässigt oder aufgehoben werden, wenn es wegen besonderer Umstände unbillig wäre, die Leistung von Beiträgen durch einen pflichtigen Verwandten zu verlangen (zum Beispiel wegen eines schweren Verbrechens gegenüber dem Pflichtigen beziehungsweise einer diesem nahe stehenden Person oder wegen Verletzung von familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Pflichtigen oder dessen Angehörigen).

Gemäss Art. 328 Abs. 1 ZGB sind nur Verwandte unterstützungspflichtig, die in günstigen Verhältnissen leben. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung lebt in günstigen Verhältnissen, wem aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation eine wohlhabende Lebensführung möglich ist. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf das Alter und einer allenfalls zu erwartenden Pflegebedürftigkeit der Verwandten. Die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Verwandten muss demnach auf längere Sicht standhalten (vgl. BGer 5C.186/2006 E. 3.2.2). Massgebende Bemessungsgrundlage ist das steuerbare Einkommen gemäss Bundessteuer zuzüglich Vermögensverzehr.